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Sommer wie Winter

Sommer wie Winter

Titel: Sommer wie Winter
Autoren: Judith W. Taschler
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das ja noch. Hat nichts mehr geredet, nichts mehr gegessen. Ist nur auf seinem Bett gelegen. Tagelang. Wir haben alle nicht gewusst, was wir zu ihm sagen sollen. Oder wie wir ihn trösten können. Auch die Mutter ist komplett durchgedreht. Sie hat einen Nervenzusammenbruch gehabt. Hat in die Klinik müssen für ein paar Tage.
    Am 22. März ist das Begräbnis gewesen. Es ist kein normales Begräbnis gewesen. Der Alex wollte, dass sie verbrannt wird. Der Angermair hat das organisiert, in so einem Krematorium in Innsbruck. Wie wir drei da so beim Pfarrer stehen neben dem Sarg, in dem Raum, kommen alle auf einmal herein. Die Mutter, die Anna, die Martina, der Andreas. Sie haben alle den Alex umarmt. Ich habe gesehen, dass es ihn freut, weil sie kommen. Er hat nasse Augen gehabt. Ich habe es auch gut gefunden, dass sie gekommen sind. Wir gehören doch zusammen, wir sechs! Ein bisschen später sind noch ein paar Leute gekommen. Die Frau vom Angermair, der alte Vermieter von Alex’ Mutter, ich glaube, er hat Berger geheißen, und sein Neffe und eine Frau Kofler. Es ist eine schöne Feier gewesen. Und die Urne hat der Alex dann mit heim genommen. Das wollte er so.
    Der Alex ist vor drei Wochen ausgezogen von daheim. Er ist nicht nach Innsbruck gegangen. Ich muss weiter weg. So hat er gesagt. Der Angermair hat ihm geholfen, dass er in Linz eine kleine Wohnung
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findet. Die gehört Verwandten von ihm. Dort wohnt er jetzt. Er besucht die Abendschule. Er hat mich erst einmal angerufen. Ich vermisse ihn wahnsinnig! Das hätte ich mir nie gedacht, dass ich ihn so vermissen werde! Ich mag ihn wirklich gern. Ich weiß nicht, ich spüre irgendwie – ich mag ihn viel zu gern.
    Ich muss immer dran denken, wie er am Bahnsteig steht. In der linken Hand hat er die Reisetasche. Mit der rechten Hand drückt er die Urne an sich. Er hat mich umarmt. Dann hat er was gesagt und gelacht.
    Das hat so geklungen, als möchte er sich selber Mut zureden und mir auch. Weil er gesehen hat, dass ich am liebsten weinen würde. Er hat gesagt: Jetzt gehe ich in die Welt hinaus und fange mein Leben an!
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