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Sommer unter dem Maulbeerbaum

Titel: Sommer unter dem Maulbeerbaum
Autoren: Jude Deveraux
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nicht, darüber nachzugrübeln, warum die Menschen so waren, wie sie waren. Er akzeptierte sie und konnte sie leiden oder auch nicht.
    »Als ich ihm begegnete, war ich noch Jungfrau«, sagte ich leise zu Phillip, »und es hat immer nur Jimmy gegeben.« Doch als ich das sagte, schaute ich in eine andere Richtung, denn ich wusste, dass es doch ein Geheimnis zwischen mir und Jimmy gab. Allerdings konnte Atlanta unmöglich davon wissen.
    Und doch tat sie es scheinbar.
    Bis acht Uhr war meine behagliche, sichere Welt, wie ich sie kannte, in sich zusammengefallen. Ich weiß nicht, wie Atlanta von Jimmys Flugzeugabsturz erfuhr, so bald nachdem es geschehen war, aber sie hatte es erfahren. Und in der Zeit, die verstrich bis die Presse von Jimmys Tod Wind bekam, hatte sie mehr erreicht als in all den achtundvierzig Jahren ihres Lebens zusammengenommen.
    Als Phillip und ich von unserer verrückten Einkaufstour zurückkehrten, wurden wir an der Tür zu dem Haus, das ich als das meine betrachtet hatte, von bewaffneten Männern empfangen. Mir wurde gesagt, ich dürfe nicht eintreten. Weiter informierte man mich darüber, dass jetzt alles Atlanta und Ray gehöre, als Jimmys einzigen noch lebenden Verwandten.
    Phillip und ich stiegen wieder ins Auto und er schüttelte verwundert den Kopf. »Wie haben sie nur das mit dem Testament herausgefunden? Wie konnten sie wissen, dass James ihnen alles hinterlassen hat? Hören Sie, Lillian«, sagte er, und mir fiel auf, dass er mich bis zu Jimmys Tod immer Mrs Manville genannt hatte, »ich weiß nicht, wie sie dahintergekommen sind, aber ich werde den Schuldigen finden, der es ausgeplaudert hat und ... und ...« Offenkundig fiel ihm nichts hinreichend Schreckliches ein, was er mit dem Mitarbeiter machen würde, der den Inhalt von Jimmys Testament hatte durchsickern lassen. »Wir werden dagegen ankämpfen. Sie sind seine Frau und das schon seit vielen Jahren. Sie und ich werden ...«
    »Ich war siebzehn, als ich ihn heiratete«, sagte ich leise. »Und ich hatte nicht die Erlaubnis meiner Mutter.«
    »Oh, mein Gott«, stöhnte Phillip. Dann öffnete er den Mund, vermutlich, um mir eine Standpauke über mein unverantwortliches Handeln zu halten. Doch er schloss ihn wieder und das war sicher richtig so. Was hätte es gebracht, mich jetzt, wo Jimmy tot war, noch zu belehren?
    Die folgenden Wochen waren schrecklicher, als ich es mir je hätte vorstellen können. Nur Stunden nach Jimmys Tod erschien Atlanta schon im Fernsehen und verkündete den Medien, dass sie »dieses Weibsbild«, das ihren geliebten Bruder all die Jahre zu seinem Sklaven gemacht hatte, mit allen Mitteln bekämpfen werde. »Ich werde dafür sorgen, dass sie bekommt, was sie verdient.«
    Es spielte keine Rolle für Atlanta, dass ich laut Jimmys letztem Willen keinen Pfennig bekommen würde. Nicht einmal das Farmhaus wurde in dem Testament erwähnt. O nein, Atlanta war fest entschlossen, mir alles heimzuzahlen, was ich ihr ihrer Meinung nach seit Jahren angetan hatte. Sie war nicht nur auf das Geld aus, sie wollte mich gedemütigt sehen.
    Natürlich hatte sie herausgefunden, dass meine Ehe mit Jimmy nicht rechtmäßig war. Das konnte nicht schwer gewesen sein. Meine Schwester wusste Bescheid. Sie und ihr Mann hatten sich scheiden lassen, weil sie es in Marokko nicht aushielt, ihr Mann aber das ganze Geld und den Luxus nicht aufgeben wollte. Meine Schwester gab mir die Schuld an ihrer Scheidung. Vielleicht hatte sie ja Atlanta angerufen und freiwillig darüber in Kenntnis gesetzt, dass ich nicht legal mit Jimmy verheiratet war.
    Wie sie es auch immer herausgefunden hatte, Atlanta wedelte mit meiner Geburtsurkunde vor der Presse herum und zeigte ihnen eine Kopie meiner Heiratsurkunde. Ich war erst siebzehn, als wir heirateten, doch ich hatte gelogen und behauptet, ich sei achtzehn und somit vor dem Gesetz mein eigener Herr.
    Ich hatte keinen Jimmy mehr, der mich vor der
    Presse beschützte. Jetzt kramten alle Reporter, die er schlecht behandelt hatte - was bedeutete, jeder einzelne von ihnen -, in ihren Archiven herum und suchten die unvorteilhaftesten Fotos von mir heraus, die sie finden konnten. Die wurden dann in allen Nachrichtenmedien, die es gab, veröffentlicht. Ich konnte auf keinen Fernsehschirm, keine Zeitschrift, keinen Computermonitor blicken, der nicht mein Doppelkinn zeigte oder die schreckliche Nase, die ich von meinem Vater geerbt hatte. Tausendmal hatte ich Jimmy gesagt, dass ich mir meine übergroße Nase richten
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