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Sommer unter dem Maulbeerbaum

Titel: Sommer unter dem Maulbeerbaum
Autoren: Jude Deveraux
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leise an meiner Seite.
    Das Wort »Hölle« kann nicht annähernd zum Ausdruck bringen, was ich in den Wochen seit Jimmys Tod durchgemacht hatte.
    Phillip hatte mich mitten in der Nacht aufgeweckt, als Jimmys Flugzeug abgestürzt war. Ich muss zugeben, ich war geschockt, ihn zu sehen. Als Jimmys Frau galt ich als unantastbar. Die Männer um ihn herum wussten, was passieren würde, falls sie irgendwelche Annäherungsversuche bei mir unternahmen.
    Ich meine nicht nur sexuell, sondern auch auf jede erdenkliche andere Art. Keiner von Jimmys Mitarbeitern bat mich je, bei meinem Mann ein gutes Wort für ihn einzulegen. Wenn sie gefeuert worden waren, dann wussten sie, dass es keinen Zweck hatte, mich zu bitten, Jimmy gut zuzureden. Es hätte ihnen höchstwahrscheinlich noch etwas viel Schlimmeres eingebracht als lediglich einen Rauswurf.
    Als ich aufwachte und die Hand von Jimmys Spitzenanwalt auf meiner Schulter spürte, der mir sagte, ich müsse aufstehen, wusste ich daher sofort, was geschehen war. Nur im Fall von Jimmys Tod würde es irgendjemand wagen, mein Schlafzimmer zu betreten, und trotzdem noch auf den Morgen hoffen.
    »Wie?«, fragte ich, mit einem Schlag hellwach und bemüht, erwachsen zu wirken. Innerlich zitterte ich wie Espenlaub. Es kann einfach nicht wahr sein, sagte ich mir. Jimmy war zu stark, zu lebendig, um ..., um ... ich konnte das Wort nicht einmal denken.
    »Sie müssen sich jetzt anziehen«, sagte Phillip. »Wir müssen es, so lange wir können, geheim halten.«
    »Ist Jimmy verletzt?«, fragte ich mit hoffnungsvoller Stimme. Vielleicht lag er ja in einem Krankenhaus und verlangte nach mir. Doch noch während ich das dachte, war ich mir darüber im Klaren, dass dem nicht so war. Jimmy wusste, wie besorgt ich um ihn war. »Ich würde mir lieber den Fuß abnehmen lassen, als mich mit deiner Fürsorge hemmzuschlagen«, hatte er mehr als einmal gesagt. Er hasste meine Nörgeleien über sein Rauchen, sein Trinken und über die Tage, an denen er keinen Schlaf bekam.
    »Nein«, sagte Phillip, und seine Stimme war kalt und hart. Er sah mir direkt in die Augen. »Jimmy lebt nicht mehr.«
    Ich wollte mich einfach fallen lassen. Ich wollte zurück unter die warme Bettdecke kriechen und wieder einschlafen. Und wenn ich aufwachte, sollte Jimmy da sein, seine große Hand unter mein Nachthemd schieben und diese leisen Grolllaute machen, die mich zum Kichern brachten.
    »Sie haben im Augenblick keine Zeit zum Trauern«, sagte Phillip. »Wir müssen einkaufen gehen.«
    Das löste mich aus meiner Erstarrung. »Sind Sie wahnsinnig?«, fragte ich ihn. »Es ist vier Uhr morgens.«
    »Ich habe dafür gesorgt, dass ein Geschäft für uns aufmacht. Jetzt ziehen Sie sich an!«, befahl er. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
    Sein Tonfall machte mir nicht im Geringsten Angst. Mein weites Nachthemd wie ein Zirkuszelt um mich drapiert, setzte ich mich auf das Bett und zog meinen Zopf unter mir hervor. Jimmy wollte, dass ich altmodische Kleider anzog und mein Haar lang trug. Nach sechzehn Jahren Ehe war mein Zopf so lang, dass ich auf ihm sitzen konnte. »Ich gehe nirgendwohin, bevor Sie mir nicht sagen, was hier läuft.«
    »Ich habe jetzt keine Zeit ...«, begann Phillip, doch dann hielt er inne, holte tief Luft und sah mich an. »Dafür könnte man mich aus der Anwaltskammer ausschließen, aber ich habe Jimmys Testament aufgesetzt und weiß, was auf Sie zukommen wird. Für ein paar Tage kann ich die Geier in Schach halten, aber länger nicht. Bis zur Testamentseröffnung sind Sie noch James’ Frau.«
    »Ich werde immer Jimmys Frau sein«, sagte ich stolz und richtete mich zu der tapfersten Haltung auf, zu der ich fähig war. Nicht Jimmy!, schrie mein Herz. Nicht Jimmy. Jedermann auf der Welt konnte sterben, aber nicht Jimmy.
    »Lillian«, sagte Phillip sanft, und seine Augen waren voller Mitleid, »es gab auf der Welt nur einen James Manville. Er handelte nach seinen eigenen Spielregeln und nach nichts anderem.«
    Ich wartete darauf, dass er mir etwas mitteilte, was ich noch nicht wusste. Worauf wollte er hinaus?
    Phillip fuhr sich mit der Hand über die Augen und warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. »Bei meiner Berufsehre, ich kann Ihnen nicht sagen hob er an, dann atmete er hörbar aus und ließ sich neben mich auf das Bett fallen. Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Jimmy nicht mehr lebte, dann hätte ich ihn hiermit erhalten. Wenn nur die geringste Chance bestanden hätte, dass Jimmy durch die Tür
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