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Sommer unter dem Maulbeerbaum

Titel: Sommer unter dem Maulbeerbaum
Autoren: Jude Deveraux
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zu nehmen.
    Einen Monat später erhielt der Mann meiner Schwester ein sagenhaftes Jobangebot: doppeltes Gehalt, mietfreies Wohnen, Firmenwagen. Ein Kindermädchen für ihre Tochter, drei Dienstmädchen und die Mitgliedschaft im Country Club waren ebenfalls eingeschlossen. Es war ein Angebot, das sie nicht ausschlagen konnten - Marokko.
    Nachdem Jimmys Flugzeug abgestürzt war und ich mit zweiunddreißig zur Witwe geworden war, hatten die Medien auf der ganzen Welt nur ein Thema: dass Jimmy mir nichts hinterlassen hatte. Keine seiner Milliarden - ob es nun zwei oder zwanzig waren, konnte ich mir nie merken -, ich erbte nichts von alldem.
    »Sind wir heute pleite oder reich?«, fragte ich ihn oft. Sein Nettovermögen schwankte nämlich von Tag zu Tag, je nachdem, woran sich Jimmy gerade versuchte.
    »Heute sind wir pleite«, sagte er dann und lachte genau so, als würde er mir berichten, dass er an diesem Tag etliche Millionen verdient habe.
    Geld bedeutete Jimmy nichts. Niemand konnte das je begreifen. Für ihn war es nur ein Nebenprodukt des Spiels. »Es ist wie all die Schalen, die man wegwirft, wenn man Marmelade macht«, sagte er immer. »Nur dass in diesem Fall die Welt die Schalen höher bewertet als die Marmelade.«
    »Arme Welt«, erwiderte ich, und dann lachte Jimmy laut und trug mich nach oben, wo er mich zärtlich liebte.
    Meiner Meinung nach wusste Jimmy, dass er nicht alt werden würde. »Ich muss das, was ich kann, so schnell wie möglich erledigen. Bist du dabei, Sprösschen?«
    »Immer«, gab ich zur Antwort und meinte es auch so. »Immer.«
    Doch bis ins Grab bin ich ihm nicht gefolgt. Ich blieb zurück, ganz so wie Jimmy es vorausgesagt hatte.
    »Ich sorge schon für dich, Sprösschen«, sagte er mehr als einmal. Wenn er von solchen Dingen sprach, nannte er mich immer bei dem Namen, den er mir bei unserer ersten Begegnung gegeben hatte: »Sprösschen« wegen der Sommersprossen auf meiner Nase.
    Wenn er sagte: »Ich sorge für dich«, maß ich den Worten keine besondere Bedeutung bei. Jimmy hatte stets für mich gesorgt. Was immer mein Herz begehrte, er gab es mir, schon lange bevor ich überhaupt wusste, dass ich es wollte. Jimmy sagte: »Ich kenne dich besser, als du dich selbst kennst.«
    Und so war es auch. Doch zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, dass ich nie die Zeit hatte, viel über mich herauszufinden. Wenn man Jimmy durch die ganze Welt begleitete, hatte man nicht viel Muße, sich gemütlich hinzusetzen und nachzudenken.
    Jimmy kannte mich und er sorgte wirklich für mich. Nicht so, wie die Welt es für richtig hielt, sondern so, wie ich es brauchte. Er ließ mich nicht als reiche Witwe zurück, der die Junggesellen der halben Welt lautstark ihre Liebe beteuerten. Nein, er hinterließ sein Geld und alle zwölf luxuriösen Häuser den einzigen beiden Menschen, die er wahrhaft hasste: seinen älteren Geschwistern.
    Mir vermachte Jimmy eine heruntergekommene, zugewachsene Farm im abgelegensten Teil von Virginia, von der ich nicht einmal gewusst hatte, dass er sie besaß, und dazu ein paar Zeilen. Sie lauteten:
    Finde die Wahrheit heraus über das, was geschehen ist, ja, Sprösschen? Tu ’s für mich. Und vergiss nicht, dass ich dich liehe. Wo du auch hist und was du auch tust, vergiss nie, dass ich dich liehe.
    J.
    Als ich das Farmhaus sah, brach ich in Tränen aus. In den vergangenen sechs Wochen hatte mich nur die Vorstellung von diesem Haus am Leben erhalten. Ich hatte mir etwas Zauberhaftes, Holzverkleidetes vorgestellt, mit einem steinernen Kamin. Ich hatte mir eine breite Veranda mit handgeschnitzten Schaukelstühlen vorgestellt und vor dem Haus einen Rasen mit rosafarbenen Rosen, die ihre Blütenblätter im Wind verteilten.
    Vor meinem geistigen Auge hatte ich hektarweise hügeliges Land gesehen, darauf Obstbäume und Himbeersträucher - allesamt ordentlich zurechtgestutzt, gesund und voll behangen mit reifem Obst.
    Doch was ich zu sehen bekam, war eine Scheußlichkeit im Stil der Sechzigerjahre. Es war ein zweistöckiges Haus mit einer grünen Außenverkleidung von der Art, die sich über Jahre hinweg kein bisschen verändert. Stürme, Sonnenschein, Schnee, der Lauf der Zeit: Nichts davon hatte irgendeine Auswirkung darauf gehabt.
    An einer Seite des Hauses wuchsen Reben, allerdings nicht von der Art, die einen Ort idyllisch und gemütlich erscheinen lassen. Dies hier waren Reben, die aussahen, als wollten sie das Haus verschlingen.
    »Man kann es in Ordnung bringen«, sagte Phillip
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