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Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Titel: Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens
Autoren: Susan Wiggs
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Sie hatte noch nie zuvor in einer kleinen Stadt gelebt. Bei dem Gedanken, Teil einer gewachsenen, eng zusammenhaltenden Gemeinde zu werden – und sei es noch so vorübergehend – fühlte sie sich ungeschützt und sehr verletzlich. Sie war nicht paranoid – Moment, doch, das war sie. Aber dafür gab es gute Gründe.
    Es gab keinen Ort, an dem sie sich wirklich jemals sicher fühlte. Die frühen Tage mit ihrer Mutter, noch bevor der ganze Ärger angefangen hatte, waren schon von Unwägbarkeitenund Unsicherheiten erfüllt gewesen. Ihre Mutter war eine jugendliche Ausreißerin gewesen. Sie war kein schlechter Mensch, aber sie war abhängig. Während eines Drogendeals, der schiefging, war sie auf der South Orange Avenue in Newark erschossen worden und hatte eine stille, zehnjährige Tochter zurückgelassen.
    Das Jugendamt veränderte Claires ganzes Leben. Es gibt nicht viele, die das von sich sagen können, aber in diesem Fall war es die Wahrheit. Ihre Sachbearbeiterin, Sherri Burke, stellte sicher, dass sie bei den besten Pflegefamilien des Landes untergebracht wurde. Hier erfuhr sie das erste Mal die Bedeutung von Familienleben, und sie saugte die Lektionen der Leute, die sich aufrichtig um sie kümmerten, auf wie ein Schwamm. Sie lernte, wie es war, Teil von etwas Größerem und Tieferem als nur sich allein zu sein.
    Um die Segnungen einer Familie würdigen zu können, musste sie einfach nur zusehen. Sie waren überall – in dem Blick einer Frau, wenn ihr Ehemann abends zur Haustür hiereinkam. In der Berührung einer mütterlichen Hand auf der fiebrig heißen Stirn ihres Kindes. In dem Lachen von Schwestern, die sich einen Witz erzählen, oder dem beschützenden Verhalten eines Bruders, der auf seine Geschwister aufpasste. Eine Familie war ein Sicherheitsnetz, ein weiches Kissen, falls man mal stürzte. Ein unsichtbarer Schild, der die Schläge des Lebens abfing.
    Claire wagte es, von einem besseren Leben zu träumen – von der Liebe, von einer Familie. Kindern. Von einem Leben angefüllt mit all den Dingen, die Menschen lächeln ließen und ihnen ein Gefühl der Geborgenheit vermittelten, wenn sie traurig oder verletzt oder verängstigt waren.
    Das kann alles dir gehören , versprach das System, solange alles so lief, wie es sollte.
    Doch im Alter von siebzehn Jahren änderte sich alles. Sie wurde Zeugin eines Verbrechens und wurde gezwungen, unterzutauchen. Sie musste sich vor jemandem verstecken,dem sie einst ihr Leben anvertraut hatte. Wenn das kein Grund zur Paranoia war …
    Eine kleine Stadt wie diese konnte ein gefährlicher Ort sein, vor allem für jemanden, der etwas zu verbergen hatte. Das wusste jeder, der Stephen-King-Romane las.
    Nun, im schlimmsten Fall würde sie einfach wieder verschwinden. Darin war sie gut.
    Vor langer Zeit schon hatte sie gelernt, dass die Zeugenschutzprogramme, wie man sie aus dem Fernsehen kannte, reine Fiktion waren. Ein einfacher Mord war kein Fall fürs FBI. Und somit kam sie auch nicht für das Zeugenschutzprogramm WITSEC infrage. Was unglücklich war, denn WITSEC war dafür bekannt, ausreichend Mittel zu haben, um seine Zeugen effektiv untertauchen zu lassen und zu schützen.
    Die von den einzelnen Bundesstaaten geleiteten Programme hingegen waren eine ganz andere Geschichte. Sie waren komplett unterfinanziert. Den Steuerzahlern gefiel es nicht, ihr Geld für so etwas hinauszuwerfen. Die Mehrzahl der Informanten und Zeugen waren selber Kriminelle, die im Austausch für ihre Immunität vor den Strafverfolgungsbehörden Insiderwissen ausplauderten. Die wirklich Unschuldigen, so wie Claire, waren rar gesät. Oftmals bestand das Zeugenschutzprogramm aus einer Busfahrkarte für eine einfache Fahrt und ein paar Wochen in einem Trailerpark. Danach war der Zeuge auf sich allein gestellt. Und für eine Zeugin wie Claire, deren Situation so gefährlich war, dass sie nicht einmal der Polizei trauen konnte, beruhte das weitere Überleben ganz allein auf Glück.
    Inzwischen erschienen ihr die Familien, von denen sie kurze Zeit ein Teil hatte sein dürfen, wie ein ferner Traum oder wie ein Leben, das einer anderen geschehen war. Sie hatte immer geglaubt, eines Tages eine eigene Familie zu haben, aber dieser Traum war in unerreichbare Ferne gerückt. Ja, sie könnte sich verlieben, eine Beziehung haben, sogar Kinder. Aber warum sollte sie? Warum sollte sie etwas in ihrem Leben erschaffen, dass sie lieben würde, nur um es der Gefahr auszusetzen, dassman sie doch irgendwann aufspürte?
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