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Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Titel: Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens
Autoren: Susan Wiggs
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Tancredi musste für immer verschwinden.
    Manchmal, vor allem in den frühen Tagen ihres Exils, war sie von dem Versuch, zu überleben, so erschöpft, dass sie mehrmals kurz davor stand, aufzugeben und sich ihrem Schicksal zu ergeben. Sie stellte sich vor, wie sie in eine Polizeistelle gingund ihre Geschichte erzählte. Doch sie tat es nicht. Sie schuldete es den Jungs, die zum Schweigen gebracht worden waren, am Leben zu bleiben. Sie fragte sich, ob irgendjemand – die anderen Sozialarbeiter oder Teresa Jordan oder die Leute in der Schule – sich jemals fragten, was aus Clarissa Tancredi geworden war. Wussten sie, warum sie spurlos verschwunden war?
    Mel hatte den falschen Grabstein selber gesetzt. Eine stumme Mahnung, dass sie für immer aufgehört hatte, zu existieren. Die Technik war in Zeugenschutzprogrammen üblich, aber irgendetwas hatte Vance Jordans Verdacht erregt.
    Ross hörte ihr mit angehaltenem Atem zu. Sie wusste es zu schätzen, dass er sie weder unterbrochen noch Zwischenfragen gestellt hatte. Er hatte sie einfach ausreden lassen, als ob er gespürt hätte, dass diese lang zurückgehaltene Geschichte endlich einmal herausmusste.
    „Mel hat erst kürzlich herausgefunden, dass Vance sich wieder als Pflegevater beworben hat“, erklärte sie. „Mel muss versucht haben, die Behörden zu alarmieren.“ Sie starrte auf die Erde. „Das ist mein Fehler. Ich weiß seit Jahren, dass Vance ein Mörder ist, und hatte Angst, etwas gegen ihn zu unternehmen.“
    „Wag es ja nicht!“, rief Ross. „Wag es ja nicht, dir die Schuld an all dem zu geben!“
    „Aber …“
    „Ich muss eine Sache wissen. Was ist mit dem Beweisstück passiert, das du vom Tatort mitgenommen hattest? Das mit Vance’ Blut daran?“
    „Ich habe es immer noch. Ich dachte, ich hätte den ultimativen Beweis, denn der Polizeibericht sagte, dass die Tasche von Marios Jeans herausgeschnitten worden war. Das kann nur jemand wissen, der dabei gewesen ist. Die Ermittler verschweigen der Öffentlichkeit oft wichtige Details, um die Glaubwürdigkeit der Zeugen besser überprüfen zu können.In den meisten Mordfällen könnte ich eine Schleife um die Tasche binden, sie den Ermittlern übergeben und als Heldin aus der Sache rausgehen. Beinahe hätte ich das getan. Beinahe hätte ich die Tasche persönlich vorbeigebracht. Dann habe ich darüber nachgedacht, sie anonym einzuschicken. Doch wenn ich das einzige Beweisstück weggebe, habe ich gar nichts mehr.“
    „Vor allem, weil der Kerl offenbar ganz genau weiß, wie man Beweisstücke verschwinden lässt.“ Ross nickte.
    Sie nickte. Vance Jordan hatte eine Aura der Unantastbarkeit um sich herum errichtet. Niemand wagte es, sich mit ihm anzulegen. „Ich fühle mich so feige.“
    „Deine Sicherheit muss oberste Priorität haben. Wenn dir irgendetwas zustößt, wird er nie für die Morde zur Rechenschaft gezogen.“
    „Du klingst wie Mel.“ Ihr Herz zog sich bei dem Gedanken schmerzhaft zusammen, dass Mel einsam und verloren im Dunkeln lag und seine Prognose äußerst unsicher war.
    Ross hielt sie fest, als sie weinte. Sie erzählte ihm, wie groß ihre Angst um Mel war. Sie erzählte ihm auch von der Sozialarbeiterin, die bei dem Unfall mit Fahrerflucht getötet worden war, und wie sehr sie fürchtete, dass jeder, dem sie ihre Geschichte erzählte, verletzt werden würde.
    „Du hast mich mal gefragt, wieso ich mich nicht auf Leute einlasse.“ Sie schluchzte. „Jetzt kennst du den Grund. Und du hast dich gewundert, wie ich diesen Job aushalte, mich um Menschen zu kümmern, von denen ich weiß, dass sie mir unter den Händen wegsterben werden. Das liegt daran, dass der Tod nicht das Schlimmste ist, was einem Menschen zustoßen kann. Das Leben zu verpassen – das ist wesentlich schlimmer.“
    „Das wird sich jetzt alles ändern“, versprach Ross.
    „Wie?“
    „Erzähl einfach die Wahrheit.“
    „So wie die Jungs es getan haben?“
    „Ach, Claire … gemeinsam werden wir eine Lösungfinden.“ Er suchte kurz in seiner Brieftasche und zog dann eine Visitenkarte hervor.
    Er war ein Macher. Ein Retter. Das war es, was er in der Army getan hatte: Er war herbeigeeilt und hatte Menschen gerettet.

28. KAPITEL
    E ine verschwommene Sicht war eines der Symptome von Georges Krankheit. Er stellte fest, wenn er ganz still saß und ein paar Mal blinzelte, wurde die Welt wieder klar.
    Manchmal jedoch hatte er gar keine Eile, die Welt deutlich zu sehen. Der geniale Maler Claude Monet hatte einige seiner
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