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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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lustigen
Tag zu machen. Von meinem Reisegeld hatte ich noch 23 Mark. Wir fragten den
Kutscher, wo es den besten Kaffee gäbe. Da fuhr er einen herrlichen Weg zum
Waldschlößchen, wo wir Kaffee tranken und Butterkuchen aßen. Es war ganz
wunderbares Wetter. Zwischendurch dachte ich oft an Hans und seine blauen Augen
und daß es traurig wäre, ihn nicht wiederzusehen. Aber eigentlich fühlte ich
innerlich, daß ich ihn gar nicht liebte.
    Gottseidank geht es übermorgen nach
München, und dann schreibe ich Dir aus Kreuth, wo ich hoffentlich einen Brief
von Dir finde.
    In inniger Liebe
    Deine Matti
     
     
     
    Bad Kreuth b. Tegernsee
    den 10. Juli 93
    Liebe einzige Bertha!
    Wie froh war ich, einen so lieben Brief
von Dir hier vorzufinden. Du hast ganz recht, es war von Hans nicht richtig,
daß er mich so überrumpelt hat. Wir wollen nun froh sein, daß es mit der Sache
zu Ende ist.
    Nun sind wir wieder im geliebten
Kreuth, das doch meine zweite Heimat ist. Immer wenn ich die Blau-Berge ansehe
und ihre wunderbare Linie oben gegen den Himmel, dann werde ich ganz andächtig.
Nirgends so wie hier kann ich an alles das denken, was Pastor Portig uns beiden
beim Abschied gesagt hat. Ich ging auch sofort in die kleine Kapelle mit den
weißen Holzbänken. Wenn man hinter den Altar geht, liegt da in einer Grotte,
aus Wachs modelliert, Christus im Sarge. Es erschüttert mich immer wieder so,
wie Du es Dir gar nicht vorstellen kannst.
    Nun laß Dir aber zuerst noch für Deinen
Brief nach München danken, der mir hierher nachgeschickt wurde. Es ist doch
nicht zu blasen, daß Papa die Sache mit Hans Deinem Vater noch geschrieben hat
und daß Du auch noch ins Verhör genommen wurdest. Es ist ja ein wahrer Segen,
daß Du B. nicht getroffen hast!! Als wir ankamen, standen alle Freunde vorm
Eingang und winkten. Das Zimmer voller Alpenrosen. Am meisten bin ich wieder
mit Tina Valckenberg zusammen, wir treffen uns nun schon seit zehn Jahren. Die
Eltern sind rührend zu mir, als wollten sie wieder etwas gutmachen.
    Was Du mir von Mühlenbruchs erzählst
und alles das hat mich sehr gefreut. Es war doch für Dich eine Abwechslung.
    Es küßt Dich in Liebe
    Deine Matti
     
     
     
    Bad Kreuth b. Tegernsee
    den 17. Juli 93
    Liebe einzige Bertha!
    Leider sind Lindequists wieder
abgereist. Aber statt dessen ist die Gräfin P. mit ihrem 26jährigen Sohn Egon
eingetroffen. Er war krank und soll sich hier erholen. Er ist Oberleutnant in
einem bayerischen Garderegiment und sieht sehr rassig und vornehm aus, sehr
mager und brünett. Zuerst nannte er mich gnädiges Fräulein, nach drei Tagen
Fräulein Berck, dann Fräulein Marga und jetzt Marga. Seine Eltern sind sehr
reich. Die Mutter hat ein Gut in der Pfalz, und in München haben sie ein sehr
schönes Haus. Sicher wäre Papa selig über eine solche Partie. Aber ich bin ganz
unbeteiligt, obwohl ich ihn reizend finde. Er und ich haben die Eltern mit
ihrem Anschluß «die Alte Garde» getauft, was sie aber nicht wissen dürfen. Wenn
«die Alte Garde» spazierengeht, gehen Egon und ich ein Stück hinterher, aber
nie ganz allein. Er ist irgendwie sonderbar, manchmal würde ich denken, ein
bißchen verrückt. Übrigens hat er sein ganz entzückendes Pferd mit hier und
reitet jeden Morgen. Das Pferd heißt Stella. Seit er weiß, daß ich jeden Morgen
mit Anna nach den Sieben Hütten gehe, um dort ein Glas Ziegenmilch zu trinken,
reitet er den unteren Weg hin. Dann bringe ich Stella Zucker, und wir reden 5
Minuten zusammen. Gestern sagte er: «Können Sie denn das Frauenzimmer, die
Anna, die Sie immer bewacht, nicht zu Hause lassen? Dann könnten Sie doch den
unteren Weg zurückgehen, und ich würde nebenherreiten.» «Nein», sagte ich, «das
würden meine Eltern nicht erlauben.»
    Wir sind nun fortwährend zusammen, und
die Freundschaft wächst. Er hat eine ebenso große Tierliebe wie ich, und wir
sind täglich morgens bei der rührenden Eselin Flora, auf der ich schon als Kind
geritten bin. Sie kennt mich ganz genau. Denke Dir, dann nimmt er immer das
Eselsohr, wenn ich bei ihr anbucke, und streicht mir mit dem Ohr durchs
Gesicht. Als er das gestern so intensiv tat, sagte ich: «Warum wischen Sie mir
eigentlich immer mit dem Eselsohr das Gesicht ab?» Da antwortete er: «Verstehen
Sie das denn nicht? Können Sie das denn wirklich nicht verstehen?» «Nein»,
sagte ich, «das kann ich nicht verstehen.» Er darauf: «Aber Marga, ich kann Sie doch nicht streicheln, also tue ich es mit dem Ohr dieses guten
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