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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos
Autoren: E Schmidauer
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Anastasía im Theater, gutes Auge, sie stellt sich geschickt an. Frühmorgens Aufbruch. Weg der Göttin, schreibt er. Ich weiß es noch, wie sie gekommen ist. Wilde Emotionalität. Was soll daraus werden?
    Projekt an H. L. abgegeben, schreibt der Vater, das war, bevor ich gekommen bin. Dieser Mensch, schreibt er ein anderes Mal über Hubert, dieser Mensch. Hort, vermerkt er, Kosmos, Xoanon? Die letzte Eintragung im letzten Band der Tagebücher meines Vaters lautet: Brand im Depot. Ilse verletzt. Keine weiteren Schäden.
    Als hätte er die Feder angesetzt, vielleicht, ist da ein Punkt, ein Verweilen der Feder auf dem Papier, ein Federkratzer. Aber das ist seine letzte Eintragung, Ilse verletzt, keine weiteren Schäden.
    Ich bin im Museum gewesen, ich habe die Göttin gesehen, schwarze Mädchenfrau, schrecklich und schön. Was auf der Krone steht, auf dem Gürtel, auf den Schuhen der Göttin, das kann keiner lesen.
    Ich bin auf den Bülbüldag gegangen, auf den Nachtigallenberg. Einmal im Jahr gehe ich auf den Berg, hat der Vater gesagt. Du musst im Frühling kommen, da blüht alles und duftet, aber jetzt war Sommer und die Sonne stach grell und das Land lag braun, selbst das Grün der Bäume war wie grau in der schweren Luft.
    Ich habe den Asphodelus noch nicht blühen sehen, habe ich in die Luft hinein gesagt. Ich komme im Frühjahr wieder, und dann war ich seltsam leer. Als wäre alles neu zu lernen, ging ich den Berg hinunter und über die lange Straße zurück, die Mauer entlang, an der ich einmal mit Hubert gestanden war, wie schwankend die Straße hinauf, die zum Grabungshaus führte, über den Hof in mein Zimmer. Ich bin auf das Bett gefallen und habe geschlafen bis zum Morgen. Der Ruf des Muezzins hat mich geweckt.
    In einer Nacht, bevor ich nach Ephesos gefahren bin, bin ich aufgewacht, weil eine starke Hand mein Herz gepresst hat. Eine Traurigkeit zermalmte mich, es gab nur einen Menschen, dem ich das sagen konnte. Wie einmal schon habe ich Friedrich angerufen. Friedrich, stammelte ich, Friedel, bitte.
    Es ist möglich, dass ich gedacht habe, dass Friedrich sich melden würde. Aber wie sollte er einem nächtlichen Anruf vertrauen, mir auch vertrauen.
    Die weiße Stadt ist nicht weiß. Malven schwanken im Wind, der am Morgen die Stadt weckt, in den Hanghäusern schrillen Zikaden und die aufgehende Sonne färbt die Kapitelle rot. Ich gehe die Kuretenstraße entlang, die in einem Blau liegt, das noch der Nacht gehört, die Marmorstraße, die Arkadiane. Hoch schießen Disteln silbern und violett, auf grauem Stein verwittern Flechten. Goldene Käfer in zitterndem Gras und Eidechsen, die mit dem Kopf rucken. Als bebte und pulsierte etwas wo. Ein Vogel kreist, hoch im Blau.

Der Roman schuldet vielen Menschen Vieles. Im Besonderen möchte ich Sabine Ladstätter, Grabungsleiterin in Ephesos, und den Teams der Kampagnen 2010 und 2011 für die überaus freundliche Aufnahme danken. Herzlichen Dank an Georg Plattner, Kustos der Antikensammlung und des Ephesos-Museums, für wertvolle Hinweise. Ich danke Christine Schennach, meiner Erstleserin, für anregende Diskussionen und Günther Eisenhuber dafür, dass er mir meinen Text neu gezeigt hat.
    Alle im Roman beschriebenen archäologischen Objekte existieren tatsächlich, mit Ausnahme der Elfenbeinstatuette aus dem Pfirsichgarten und der schwarzen Göttin.
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