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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos
Autoren: E Schmidauer
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glaub es oder glaub es nicht, sagt der Vater, du bist tot, sage ich und trinke, wie durstig.
    Widerlich, sagt der Vater, ich klappe den Laptop auf. Ich muss, sage ich, ich muss die Zeit aufholen, das verstehst du doch, die Zeit, die mich der Besuch im »Elysium« gekostet hat, bei deiner Frau Pölzinger, die Zeit muss ich aufholen, du bist betrunken, sagt der Vater.
    Du hast mich einen Nachmittag gekostet, sage ich, wir sind mitten in einem Projekt, das Projekt ist wichtig, der Kunde ist wichtig, das verstehst du doch. Mit Hingabe, ich lache, hast du das nicht immer gesagt, mit Hingabe seine Arbeit machen, das ist unabdingbar, wozu, habe ich dich gefragt, wozu un-ab-ding-bar? Um glücklich zu sein, hast du gesagt, und das stimmt, sagt der Vater, das weißt du.
    Ja, sage ich, das weiß ich, wie glücklich uns deine Hingabe gemacht hat. Ich muss jetzt meine Arbeit machen, sage ich, damit ich glücklich werde, das ist es doch, was ein Vater für seine Tochter will, un-ab-ding-ba-res Glück. Du bist betrunken, sagt der Vater, verschwinde, sage ich, und tatsächlich, er verschwindet, und ein Rauschen ist in der Luft wie von Flügeln.

    In Ephesos war einer, Jan, mit dem durfte ich eine Woche lang vermessen. Das war noch, bevor Hubert wichtig geworden ist, Hubert, der mein Freund gewesen war. In Ephesos aber war ich für ihn unsichtbar. Dass er mich nicht kennen wollte, das kränkte mich, und ich verstand es auch nicht. Hubert, dem es das Gesicht verzog, wenn er mich jetzt sah, das Zucken in seinem Gesicht und der Spott, und er war doch einmal mein Freund gewesen.
    Von außen nach innen, hat Jan gesagt, von der Oberfläche in die Erde hinein, aber nicht blind. Man sieht ja von außen in die Erde hinein, hat er gesagt, es gräbt ja heute keiner mehr auf bloßen Verdacht hin, heute wissen wir meistens, was wir finden werden. Wenn du wissen willst, was in der Erde liegt, gehst du erst einmal das Gelände ab und suchst nach Auffälligkeiten, nach Unregelmäßigkeiten, das können Hügel sein, Mauerreste, Senken, feuchte Stellen, trockene Stellen. Die Oberfläche sagt dir, was darunter ist, ob wo unterirdisch vielleicht Mauern liegen oder Gräben, da wächst das Gras niedriger oder höher, je nachdem, dazu kommen geomagnetische Untersuchungen und Bilder aus der Vogelperspektive, der Blick aus der Nähe, der Blick aus der Ferne, die ergänzen einander. Siehst du, er zeigte mir eine Luftaufnahme, das war 1960, die Kugeln hier, das sind Pfirsichbäume, und hier, siehst du das? Da waren dunkle Linien auf der Luftaufnahme und auf einem Bild, das er darüberlegte, sah ich Rechtecke mit Punkten darin. Die Römer, sagte Jan, haben ihre Städte auf dem Reißbrett geplant, hier und hier, siehst du, das sind Wohneinheiten, Straßen, was kann das also sein, ein Rechteck mit Punkten darin, ein zentraler Ort inmitten der Stadt, Prüfungsfrage. Ein Tempel, sagte ich, er nickte und seine Augen blitzten blau, und noch einer, siehst du, auf der anderen Seite der Straße, ich zeige es dir, wenn wir vorbeifahren, da sieht man in den Feldern die Hügel, unter denen sie liegen.
    Und warum gräbt man die nicht aus, wenn man es weiß, was es ist?, habe ich gefragt.
    Das mit dem Graben, antwortete er, das weißt du doch sicher von deinem Vater, sieht man heute auch anders als früher. Es ist ja jede Ausgrabung eine Zerstörung, die Archäologie ist eine zerstörende Wissenschaft. Was du weggeschaufelt hast, ist weg, unwiederbringlich, du kannst nie wieder nachschauen, was in den Schichten war, die du entfernt hast. Wir sind heute, sagte er und packte die Karten und Pläne und Aufnahmen weg, wir sind heute entsetzt darüber, wie Wood und Hogarth gegraben haben, gerade runter bis zur römischen Stadt, alles andere ist verloren. Die frühen österreichischen Ausgrabungen auch, tonnenweise Vergangenheit in Loren entsorgt, die haben eine eigene Bahntrasse gehabt, die haben einfach alles weggeschaufelt, was sie nicht interessiert hat. Noch in den Siebzigern, sagte er, die Hanghäuser, da sind sie mit einem Bagger drübergegangen, heute würde man das anders machen. Heute ist die vollständige Ausgrabung auch nicht von vornherein das Ziel, es sind die Dinge unter der Erde besser geschützt.
    Aber es ist doch gut, sagte ich, oder nicht, dass wir das heute alles sehen können, Ephesos, die Tempel, das Theater, die Hanghäuser, die Bibliothek, oder nicht?
    Heute, hat Jan gesagt, würde man es anders machen.
    Später hat er es mir gezeigt, Bröckelndes,
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