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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos
Autoren: E Schmidauer
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mitzunehmen. Ich hatte vergessen, dass das meine Stadt war und dass sie mir gehörte.
    Ich war mit der Mutter aus der Villa ausgezogen, ich war vom Vater weggegangen, der hatte mich nicht aufgehalten, da hatte ich es nicht mehr wissen wollen. Vielleicht hatte es einen Schmerz gegeben, Phantomschmerz, eine Zeit lang, aber als meine Mutter sagte, da war ich siebzehn, du fährst im Sommer zu deinem Vater nach Ephesos oder du bleibst hier, da war die Türkei, Ephesos, der letzte Ort gewesen, an dem ich meine Sommerferien verbringen wollte.
    Du hast gesagt, schrie ich meine Mutter an, ich kann mit dir nach Amerika kommen! Du hast es versprochen! Ich nehme mir Zeit, hast du gesagt, wir mieten uns einen Wohnwagen nach den Auftritten, hast du gesagt, das war dein Maturageschenk, wieso geht das jetzt nicht?
    Mach nicht so ein Theater, sagte meine Mutter, das ist einmal so im Leben, man kriegt nicht immer das, was man will.
    Aber du hast es versprochen!, schrie ich. Seit einem halben Jahr reden wir von nichts anderem als von Amerika, wie ich mit dir die Städtetournee machen kann, Seattle, Detroit, Washington, New Orleans, L. A., San Francisco, wie wir mit dem Wohnwagen herumfahren, die Great Plains, der Yellowstone Nationalpark, du hast es versprochen!
    Sie haben das Programm geändert, sagte meine Mutter. Es ist viel straffer, ich hätte kaum Zeit für dich, ich werde todmüde sein, es gibt noch Termine in der Zeit, wo ich mir freinehmen wollte, es geht nicht.
    Es ist wegen dem Typ, richtig? schrie ich die Mutter an. Du willst, dass er mitfährt, wie heißt er, Julio? Roberto? Du nimmst ihn mit und lässt mich da, das ist nicht fair, das ist einfach nicht fair.
    Was ist schon fair im Leben, sagte meine Mutter und in ihrer Stimme war eine Härte. Es ist, wie ich es dir gesagt habe, ich werde keine Zeit haben, ich werde todmüde sein, ja, Claudio fährt mit, aber das hat nichts damit zu tun, ich brauche ihn.
    Wozu, sagte ich, dass er dich fickt?
    Einen Moment, nur einen Moment lang dachte ich, dass sie darauf reagieren würde, dann lächelte sie, ihr sehr gelassenes Lächeln, das sie immer hat, wenn da einer ist, mit dem sie schläft, werd jetzt nicht unverschämt, sagte sie, du fährst zu deinem Vater nach Ephesos oder du bleibst hier. Amerika ist nicht, tut mir leid.
    Im Leben meiner Mutter hat es viele Männer gegeben. Vielleicht war das schon so gewesen, als sie noch mit meinem Vater verheiratet war, es war jedenfalls so, als wir beide dann alleine lebten. Ich nahm es hin, dass fremde Männer in der Küche auftauchten, wenn ich mir mein Frühstück machte, wenn ich von der Schule nach Hause kam, das heißt nichts, sagte die Mutter, lass mir meinen Spaß, es nimmt dir keiner was weg. Manche sah ich nur einmal, andere kamen wieder und besetzten vormittags das Badezimmer und nachts das Schlafzimmer meiner Mutter. Seit sie mit ihrer Tanztruppe die ersten Erfolge hatte, lebten wir in einer größeren Wohnung, trotzdem bekam ich es mit, wenn diese Robertos und Claudios mit meiner Mutter im Schlafzimmer zugange waren, dann lag ich wach und dachte, dass ich nie, nie nie nie so lieben wollte wie die Mutter.
    Freiheit, sagte sie, wenn die Igors und Julios wieder aus ihrem Leben verschwunden waren, nur wir zwei, sagte sie und sah beim Frühstück wieder so alt aus, wie sie war, dann fühlte ich mich fast wohl in unserer Wohnung. Die Mutter blieb zu Hause, oder wir gingen, wenn sie keine Auftritte hatte, gemeinsam ins Kino und danach zu McDonald’s, sie besuchte mit mir die Großeltern. Ich mochte es, wenn wir nur wir zwei waren, aber das war nie für lange, dann wurde sie unruhig. Du solltest mehr unter junge Leute, sagte sie, mir geht es gut, sagte ich, ihr Jungen, sagte sie, feiert ihr nicht die Nächte durch, ich nicht, sagte ich, und dann begann meine Mutter wieder alleine auszugehen und an einem Morgen fand ich wieder das Badezimmer besetzt, während meine Mutter mit einem Frühstück für zwei in ihrem Schlafzimmer verschwand.
    An meinem siebzehnten Geburtstag hatte sie darauf bestanden, dass ich mit ihr ins Sacher ging. Noch vor dem Kaffee hatte sie das erste Glas Champagner getrunken. Nach ihrem dritten Glas hatte sie mich gefragt, warum da keine Burschen waren in meinem Leben. Wenn du dich für Mädchen interessierst, sagte sie, ist es auch recht, ich hab damit kein Problem.
    Mama, sagte ich, bitte.
    Sie verzog ihr Gesicht. Ich heiße Eva, sagte sie und sah sich nach dem Kellner um, ist es so schwierig, sich das zu merken?
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