Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos
Autoren: E Schmidauer
Vom Netzwerk:
das, sagt sie, sie reicht mir einen verschlossenen Umschlag, wenn das Kind kommt, hat Ihr Herr Vater gesagt, geben Sie ihm das.
    Ich nehme den Umschlag, der ist groß, Anastasia Reiterer steht darauf und meine Adresse, ich stopfe den Umschlag in meine Handtasche.
    Der gute Herr Professor, sagt die Dame und tupft sich die Augen, hat gerne hier vorbeigeschaut, dann haben wir seinen letzten Weg besprochen. Er konnte sich lange nicht entscheiden, was auf der Parte stehen sollte, geboren, gestorben, was gibt es mehr zu sagen. Es soll sich niemand verdrehen müssen, hat er gesagt. Ewiges Gedenken, was für ein Humbug, hat er gesagt. Nie vergessen, Blödsinn, es ist das Vergessen eine Gnade, Frau Pölzinger, hat er gesagt. Frau Pölzinger, das bin ich, sagt die Dame verschämt und birgt ihr Gesicht in einem neuen Taschentuch.
    Er hat sich für eine Grabstelle auf dem Friedhof Kahlenbergerdorf entschieden, sagt die Frau Pölzinger, ich habe Ihnen die wichtigsten Informationen aufgeschrieben, seine Adresse gewissermaßen, Reihe 17 Grab 9, Name und Telefonnummer des Pfarrers, falls Sie mit ihm reden wollen. Es ist aber der Ablauf, die musikalische Gestaltung, das ist alles mit dem Organisten, den Musikern und dem Chor abgesprochen, der Herr Professor hat das alles noch zu Lebzeiten gemacht.
    Blumenschmuck, lese ich, keiner. Neben meinem Sarg, hat der Vater geschrieben, der verschlossen ist, es soll mir keiner ins Gesicht starren, eine Indiskretion ist das, neben dem Sarg ein Foto, wir haben es schon gerahmt, sagt die Dame.
    Sie kramt in einem Kasten, macht Laden auf und zu, hier, sagt sie.
    Was ich sehe, erinnert mich, Steine, Licht und Gras.
    Es wird alles bereit sein, sagt die Dame, machen Sie sich keine Sorgen.
    Und die Kosten?, fragte ich.
    Sterben ist nicht billig, sagte die Dame, aber es ist alles bezahlt, ausgenommen die Musik, das ist Ehrensache, haben die Musiker gesagt, nette junge Leute, das sind Kollegen Ihres Vaters. Die wollen nichts nehmen, Frau Pölzinger, hat Ihr Vater gesagt, soll noch einmal einer über die Jugend schimpfen. Aber alles andere ist erledigt, selbst die Trinkgelder für die Leichenwäscher. Das ist nicht üblich, habe ich ihm gesagt, aber er hat darauf bestanden, die Trinkgelder für die Leichenträger, etwas für die Ministranten, den Vorbeter, es soll doch alles seine Ordnung haben, hat er gesagt.
    Dann lacht die Dame auf. Der Leichenschmaus, sagt sie vergnügt, der Leichenschmaus war ihm ganz besonders wichtig. Hier darf nicht geknausert werden, Frau Pölzinger, hat er gesagt, eine gute Nachrede in diesem Punkt ist von höchster Dringlichkeit. Er hat einen feinen Humor gehabt, der Herr Professor, und, wenn ich das so sagen darf, er war ein Kavalier der alten Schule.
    Die Dame schnäuzt sich heftig, diesmal aus einer tränenden Rührung heraus. Sehen Sie, sagt sie, das ist die Liste, an wen aller die Parte geht, und das ist die Liste mit denen, die ausdrücklich persönlich zum Leichenschmaus geladen sind.
    Ich überfliege die Leichenschmausliste. Freunde und Weggefährten meines Vaters aus dem In- und Ausland, ich stocke kurz bei einem Namen, einen anderen Namen suche ich vergeblich. Hier, sagt die Dame und zeigt auf das Ende der Liste, eine ganz besondere Ehre ist es mir, hat der Vater geschrieben, Sie, liebe Frau Pölzinger, bei diesem Schmaus im Geiste begrüßen zu dürfen.
    Das freut mich, sage ich, und die Dame bricht in Tränen aus. Es ist alles bezahlt, sagt sie, Sie werden in keiner Weise belastet. Wollen Sie die Menüfolge sehen?, fragt mich die Dame, ich winke ab, der schwere Duft der Buketts verursacht mir Kopfweh.
    Sie tätschelt meine Hand, das ist eine schwere Zeit, sagt sie, aber der Herr Professor ist gut vorbereitet von uns gegangen. Und jetzt, sagt sie, jetzt wollen Sie sicher Ihren Vater sehen, wir haben ihn für Sie vorbereitet.
    Nein, will ich sagen, das muss nicht sein, aber sie hat mich schon sanft am Unterarm genommen, es ist nicht schlimm, sagt sie, er sieht sehr gut aus. Sie führt mich in den hinteren Bereich, in einen kühlen Raum, der ist mit Samt ausgeschlagen, da steht ein Sarg, rotgoldenes Holz, die Blumen, sagt sie, die habe ich ihm hingestellt, es ist doch sonst so leer. Ich lasse Sie jetzt allein, sagt sie, ich starre auf meinen Vater hinunter, ich habe ihn nicht gekannt als alten Mann.

    Ich hatte die weiße Stadt vergessen und was sie mir gewesen war. Ich hatte vergessen, dass ich, seit ich denken konnte, den Vater angebettelt hatte, mich dorthin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher