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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer
Autoren: Rosamunde Pilcher
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waren künstliche Blütenblätter...)
    „Dein Koffer ist im Kofferraum von Anthonys Wagen. Eine gute Idee, ein Taxi zur Wohnung zu nehmen und den Wagen dort abzuholen. So könnt ihr diesen gräßlichen Unfug mit den Blechdosen und alten Schuhen umgehen.“
    Geschrei und Füßegetrappel waren im Flur vor dem Schlafzimmer zu hören. Anthonys Stimme machte ein komisches Geräusch wie ein Jagdhorn. „Horch! Hört sich an, als ob er fertig wäre.“ Sie gab Virginia einen energischen Kuß. „Mach's gut, mein Liebling.“
    Die Tür öffnete sich, und Anthony stand da, in dem Anzug, den er speziell für die Reise ausgewählt hatte, und mit einem großen Strohhut auf dem Kopf. Er war ziemlich betrunken.
    „Hier bist du! Auf nach Südfrankreich, mein Schatz, deshalb hab ich den Hut auf.“
    Mrs. Parsons lachte nachsichtig, nahm ihm den Hut ab, glättete mit ihren langen Fingern seine Haare und zog seine Krawatte gerade. Sie hätte die Braut sein können, nicht Virginia, die diese kleine Zeremonie mit völlig ausdrucksloser Miene beobachtete. Anthony streckte seine Hand nach ihr aus. „Komm“, sagte er, „es wird Zeit.“
    Der bestellte Wagen, mit Konfetti übersät, brachte sie zur Wohnung der Parsons, wo Anthonys Auto auf sie wartete. Es war geplant, daß sie gleich in seinen Wagen steigen und zum Flughafen fahren sollten, aber Virginia hatte einen Wohnungsschlüssel in ihrer Handtasche, und sie gingen hinein und in die Küche. Virginia band sich eine Schürze vor das rosa Kleid, Anthony setzte sich auf den Tisch und sah ihr zu, als sie ihm einen schwarzen Kaffee aufbrühte.
    Man hatte ihnen für die Hochzeitsreise eine Villa in Antibes zur Verfügung gestellt. Am zweiten Tag ihres Aufenthalts hatte Anthony einen alten Freund getroffen, und als die erste Woche um war, kannte er alle und jeden am Ort. Virginia redete sich ein, daß sie dies erwartet, es sich so gewünscht hatte. Anthonys Geselligkeit machte einen Teil seines Charmes aus und gehörte zu den Dingen, die sie von vornherein angezogen hatten. Zudem wurde schon nach einem Tag klar, daß sie sich eigentlich nicht viel zu sagen hatten. Ihre Tischgespräche verliefen ausgesprochen schleppend. Da wurde ihr klar, daß sie bis jetzt nie miteinander allein gewesen waren.
    Sie lernten ein englisches Ehepaar kennen; Hugh House war Schriftsteller. Sie hatten ein Haus bei Cap Ferrat gemietet. Janey, seine Frau, war älter als Virginia, und Virginia mochte sie, konnte sich gut mit ihr unterhalten. Als sie einmal vor dem Haus auf der Terrasse saßen und auf die Rückkehr der Männer warteten, die zu den Felsen gegangen waren, hatte Janey gefragt: „Wie lange kennst du Anthony schon, Honey?“ Sie hatte als Kind in den Vereinigten Staaten gelebt, und hatte sie auch keinen amerikanischen Akzent, so war ihre Sprache doch mit Worten und Wendungen gespickt, die ihre Herkunft verrieten.
    „Nicht lange. Wir haben uns im Mai kennengelernt.“
    „Liebe auf den ersten Blick, hm?“
    „Ich weiß nicht. Kann schon sein.“
    „Wie alt bist du?“
    „Achtzehn.“
    „Das ist sehr jung, um sich festzulegen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Anthony in den nächsten Jahren zur Ruhe kommt.“
    „Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben“, meinte Virginia. „Wir werden in Schottland leben. Anthony hat Kirkton geerbt, ein Gut, das seinem Onkel gehört hat. Er war Junggeselle. Dort werden wir wohnen.“
    „Denkst du, Anthony latscht die ganze Zeit in einem Tweedanzug mit Dreck an den Stiefeln herum?“
    „Das nicht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß das Leben in Schottland genauso ist wie in London.“
    „O nein“, sagte Janey, die schon dort gewesen war. „Aber erwarte nicht das einfache Leben, sonst wirst du enttäuscht.“
    Aber Virginia erwartete das einfache Leben. Sie war nie in Kirkton, ja noch nie in Schottland gewesen, doch sie hatte einmal die Osterferien bei einer Schulfreundin in Northumberland verbracht und meinte, Schottland sei ganz ähnlich. Sie stellte sich Kirkton als ein verschachteltes, aus Stein gebautes Gutshaus mit niedrigen Räumen, gekachelten Fußböden und abgetretenen Orientteppichen vor, einem Speisezimmer mit großem Holzfeuer im Kamin und Jagddrucken an den Wänden.
    Statt dessen erwartete sie ein großer, elegant proportionierter klassizistischer Bau mit Schiebefenstern, die das Sonnenlicht reflektierten, und einer Steintreppe, die von der Wagenauffahrt zur Eingangstür führte.
    Hinter dem Kiesweg war Rasen, dahinter eine Grenzmauer,
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