Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer

Sommer

Titel: Sommer
Autoren: Rainer Maria Rilke
Vom Netzwerk:
Rakete bei den einsamen Sternen. Ich will Du sein. Ich will keine Träume haben, die Dich nicht kennen, und keine Wünsche, die Du nicht erfüllen willst oder kannst. Ich will keine That thun, die Dich nicht preist und keine Blüte pflegen, die Dich nicht schmückt; ich will keinen Vogel grüßen, der nicht den Weg zu Deinem Fenster weiß und aus keinem Bach trinken, der nicht einmal Dein Bild gekostet hat. Ich will in kein Land gehen, in dem nicht Deine Träume wie fremde Wunderthäter gegangen sind und in keiner Hütte wohnen, drin Du nie gerastet hast. Ich will
nichts wissen von der Zeit, die vor Dir war in meinen Tagen und von den Menschen die in diesen Tagen wohnen. Ich will diesen Menschen, wenn sie es verdienen, ein seltenes welkes Erinnern auf das Grab legen im Vorübergehen, weil ich zu glücklich bin, um nicht dankbar zu sein. Aber die Sprache, die sie mir jetzt reden, ist die die auf Grabsteinen steht, und wenn sie ein Wort sagen, so taste ich und greife lauter kalte starre Lettern. Ich will diese Gestorbenen glücklich preisen; denn sie haben mich enttäuscht und mißverstanden und mißhandelt und zu Dir – hingeführt die lange Leidensstraße. – Jetzt will ich Du sein. Und mein Herz brennt vor Deiner Gnade, wie die ewige Lampe vor dem Marienbild. Du.
    Andreas-Salomé (9. 6. 1897), 19f.
    Übung am Klavier
    D er Sommer summt. Der Nachmittag macht müde;
sie atmete verwirrt ihr frisches Kleid
und legte in die triftige Etüde
die Ungeduld nach einer Wirklichkeit,
    die kommen konnte: morgen, heute abend –,
die vielleicht da war, die man nur verbarg;
und vor den Fenstern, hoch und alles habend,
empfand sie plötzlich den verwöhnten Park.
    Da brach sie ab; schaute hinaus, verschränkte
die Hände; wünschte sich ein langes Buch –
und schob auf einmal den Jasmingeruch
erzürnt zurück. Sie fand, daß er sie kränkte.
    Werke I , 621
    Letzter Abend
    (Aus dem Besitze Frau Nonnas)
    U nd Nacht und fernes Fahren; denn der Train
des ganzen Heeres zog am Park vorüber.
Er aber hob den Blick vom Clavecin
und spielte noch und sah zu ihr hinüber
    beinah wie man in einen Spiegel schaut:
so sehr erfüllt von seinen jungen Zügen
und wissend, wie sie seine Trauer trügen,
schön und verführender bei jedem Laut.
    Doch plötzlich wars, als ob sich das verwische:
sie stand wie mühsam in der Fensternische
und hielt des Herzens drängendes Geklopf.
    Sein Spiel gab nach. Von draußen wehte Frische.
Und seltsam fremd stand auf dem Spiegeltische
der schwarze Tschako mit dem Totenkopf.
    Werke I , 521
    M ädchen, reift dich der Sommertag?
Abends, in warmer Hand Wachtelschlag,
steht der Liebende da.
    Sieht wie dein kleines Fenster dich schmückt,
daß dir Haltung und Lächeln glückt,
ahnt er von nah.
    Kühl ist die Tür schon, bis morgen früh
kältet sie gründlich aus.

Aber dein Freund ist heiß. Oh glüh,
glüh und reiß ihn ins Haus!
    Werke II , 113
    Eros
    M asken! Masken! Daß man Eros blende
Wer erträgt sein strahlendes Gesicht,
wenn er wie die Sommersonnenwende
frühlingliches Vorspiel unterbricht.
    Wie es unversehens im Geplauder
anders wird und ernsthaft … Etwas schrie …
Und er wirft den namenlosen Schauder
wie ein Tempelinnres über sie.
    Oh verloren, plötzlich, oh verloren!
Göttliche umarmen schnell.
Leben wand sich, Schicksal ward geboren.
Und im Innern weint ein Quell.
    Werke II , 158
    (Leise)
Weißt Du: Was das Leben wirklich ist,
mißt
nicht nach Jahren.
Du kannst es erfahren
in einer Nacht.
Gieb Acht:
Du kannst es erwerben
zwischen zwei Sonnen

mit allen Wonnen –
und hernach
in deinem Gemach
jahrelang sterben,
– –
was tuts? –
– –
    (Heiß)
Wenn Dir nur einmal der göttergewollte
goldene Wagen
rasend durchrollte
die Bahnen des Bluts!
Wenn er Dir auch am Ziele
zerschellt.
In diesem Spiele
mußt Du die Welt vergeuden,
in alle Freuden
Feuer schleudern
zugleich.
Reich
mußt Du sein – –
Wie der Wein
mußt Du werden,
mußt einmal reifen
und Gott ergreifen
in Ungedulden
und in den Mulden
der schöneren Schalen
Dich breiten!
Dann wird einer der Lebenden
Dich heben ins Blinken
und mit bebenden

Lippen Dich trinken
auf einen Zug … .
    Werke III (Die weiße Fürstin), 276-278
    S ag weißt du Liebesnächte? Treiben nicht
auf deinem Blut Kelchblätter weicher Worte?
Sind nicht an deinem lieben Leibe Orte,
die sich entsinnen wie ein Angesicht?
    Werke II , 363
    A ls Mahl beganns. Und ist ein Fest geworden, kaum weiß man wie. Die hohen Flammen flackten, die Stimmen schwirrten, wirre Lieder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher