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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
Autoren: Jeff Somers
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höhnisches Grinsen. Man muss ja schließlich darauf achten, welchen Eindruck man macht. Hätte Dick Marin, der Leiter der Abteilung für Innere Angelegenheiten des SSD und mittlerweile zugleich eine der wichtigsten Gestalten des ganzen Systems, nicht meine Polizeiakte getilgt, stünde ich jetzt wahrscheinlich auf Platz zwei der Fahndungslisten des System-Sicherheitsdienstes, gleich hinter dem legendären – und wahrscheinlich toten – Cainnic Orel. Man konnte nicht die Nummer zwei des SSD sein und jedes Mal in Panik ausbrechen, bloß weil einem irgendjemand eine Augenbinde angelegt hatte – das kam einfach nicht gut. Außerdem wusste ich, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis meine Leute mich wiederfinden würden. Ein Transmitter-Chip gleich unter der Haut meiner rechten Hand würde sie geradewegs hierher führen. Die einzige Frage war: Würden meine Leute rechtzeitig eintreffen, bevor man mich an die nächste Gruppierung weiterverkauft hätte?
    ›Meine Leute‹, das waren vor allem Belling und Gleason. Ersterer war jetzt natürlich noch älter als seinerzeit, als er mir bei dem Squalor-Job geholfen hatte. Aber er war immer noch der beste Revolverheld, den ich jemals erlebt hatte. Dann war da noch Gleason, die zwar nur ein Teenager war, sich aber schon Dutzende Male als hilfreich erwiesen hatte. Sie erledigte die Dinge genau so, wie ich sie erledigt wissen wollte, weil sie alles, was sie konnte, von mir persönlich gelernt hatte. Natürlich würden die beiden auch noch ein paar Schlägertypen mitbringen, aber diese Schlägertypen waren mir ziemlich egal. Denn eigentlich waren Belling und Gleason die einzigen Leute, die wirklich zu mir gehörten.
    »Stehen bleiben, Avery!«
    Ich blieb stehen, schaute mich blicklos um und strahlte dabei übers ganze Gesicht. Ich wollte gerade etwas sagen, aber in meiner Kehle hatte sich reichlich Schleim angesammelt. Und so spie ich erst einmal einen warmen Klumpen auf den Boden. »Red nicht so, als würdest du mich kennen!«, brachte ich schließlich heraus.
    »Wir sind alte Freunde, Avery«, erwiderte die Stimme. Ich versuchte gerade, aus der Satzmelodie etwas herauszulesen -den Sprechrhythmus und die Satzpausen einzuordnen, die der Kerl nutzte. Vielleicht erinnerte mich das ja an irgendetwas. »Hinknien, bitte!«
    Langsam drehte ich mich herum, bis ich glaubte, ziemlich genau vor dem geheimnisvollen Sprecher zu stehen. »Gib mir wenigstens ’nen Hinweis, Mann!«
    Ich hörte ein Kratzen und das trockene Rascheln von Stoff, und ich zuckte zurück, einen Sekundenbruchteil zu spät: Da traf mich auch schon etwas in der Magengrube, das sich dem Schwung nach genau anfühlte wie eine Kanonenkugel. Wie geheißen, sackte ich also in die Knie, verlor dann aber das Gleichgewicht und landete, mit dem Gesicht voran, in schmerzhaft-rauem, eisüberzogenem Schnee. Dort lag ich und versuchte zu atmen. Doch eigentlich zuckte ich dabei eher wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    »Danke, Avery«, fuhr die Stimme fort, ruhig und elektronisch verzerrt. »Zieht ihn hoch!«
    Jemand kam auf mich zu, und dann spürte ich eine Hand an meinem Mantel – einem guten, teuren Mantel –, die mich hochzog. Dort hing ich nun, völlig schlaff, und versuchte meine brennenden Lungen dazu zu bewegen, wieder ihre Arbeit aufzunehmen.
    »Einen Hinweis? Avery Cates, der gottverdammte König von New York, richtig? Wie viele Leute hast du mittlerweile umgebracht?«
    Vierundfünfzig, dachte ich. Vierundfünfzig, die ich persönlich umgebracht habe.
    »Ich weiß, dass du mitzählst, Avery. Aber wie viele Menschen hast du einfach zerstört und sie in ihrem ruinierten Leben zurückgelassen? Unzählige, oder etwa nicht, Avery? Mehr, als du dir selbst einzugestehen bereit bist. Mehr, als du selbst weißt, weil, du ein paar von uns nicht einmal bemerkt hast. Du würdest mich in einer Menschenmenge nicht einmal wiedererkennen.«
    Allmählich gelang es mir, wenigstens einen winzigen eisigen Lufthauch in meine Lungenflügel zu befördern. Schmerzhaft hämmerte mein Schädel, und mir war schwindelig. Es war, als wäre mir eine Arterie geplatzt, sodass sich nach und nach mein ganzer Schädel mit Blut anfüllte. Als ich zu Boden gestürzt war, hatte ich mir auf die Zunge gebissen, und von dem salzigen Rost-Geschmack des Blutes wurde mir jetzt regelrecht übel. Und dann erstarrte ich. Denn plötzlich spürte ich die eisige Mündung einer Schusswaffe genau an meiner Stirn. Das Bedürfnis, Rache für meine Entführung zu nehmen,
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