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Solaris

Solaris

Titel: Solaris
Autoren: Stanislaw Lem
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Flasche aus dunklem Glas, so leicht, als wäre sie aus Papier geblasen. Ich schaute durch sie hindurch auf das Fenster, in das düster rote, von schmutzigen Nebeln verqualmte letzte Abendlicht. Was war mit mir los?
    Warum beschäftigte ich mich mit jedem Blödsinn, mit jedem unwichtigen Kleinkram, der mir unterkam?
    Ich zuckte zusammen, denn das Licht schaltete sich ein. Selbstverständlich eine Fotozelle, die für die einfallende Dämmerung empfindlich war. Ich war voll Erwartung, die
    Anspannung wuchs bis zu dem Grad, daß ich hinter mir keinen leeren Raum haben wollte. Ich beschloß, dagegen anzukämpfen. Ich rückte den Stuhl zu den Regalen. Ich zog den nur allzu wohlbekannten zweiten Band der alten Monographie »Die Geschichte der Solaris« von Hughes und Eugl heraus und begann darin zu blättern, den dicken, steifen Buchrücken aufs Knie gestützt.
    Die Entdeckung der Solaris erfolgte nahezu hundert Jahre, bevor ich geboren wurde.
    Der Planet kreist um zwei Sonnen, eine rote und eine blaue. Über vierzig Jahre lang näherte sich ihm kein Raumschiff, die Gamov-Shapleysche Theorie über die Unmöglichkeit der Entstehung von Leben auf Planeten von Doppelsternen galt damals für erwiesen. Die Bahnen solcher Planeten ändern sich unentwegt infolge des Wechselspiels der Massenanziehungen, das vor sich geht, während die beiden Sonnen einander umkreisen.
    Die entstehenden Perturbationen kürzen und längen abwechselnd die Bahn des Planeten, und sollten Urkeime von Leben entstehen, so unterliegen sie der Zerstörung durch glutheiße Strahlung oder auch durch eisige Kälte. Diese Änderungen vollziehen sich im Zeitraum von Jahrmillionen, also der astronomischen oder biologischen Größenordnung nach (da die Evolution hunderte Millionen, wenn nicht eine Milliarde von Jahren erfordert) - in sehr kurzer Zeit.
    Nach den ursprünglichen Berechnungen sollte sich die Solaris im Lauf von fünfhunderttausend Jahren bis auf die Distanz von einer halben astronomischen Einheit ihrer roten Sonne nähern und nach einer weiteren Million - in ihren Glutenabgrund stürzen.
    Aber schon nach etwas mehr als zehn Jahren überzeugte man sich, daß die Solarisbahn keineswegs die erwarteten Änderungen aufwies, ganz als ob sie konstant wäre, so konstant wie die Bahnen der Planeten unseres Sonnensystems.
    Man wiederholte, nun schon mit höchster Genauigkeit, die Beobachtungen und Messungen, die nur bestätigten, was bekannt war: die Solaris besitzt eine unbeständige Umlaufbahn.
    Von einem unter etlichen hundert neuentdeckten Planeten pro Jahr, die mit Notizen von ein paar Zeilen, mit Angabe der Elemente ihrer Bewegung, in die großen Statistiken einbezogen werden, avancierte die Solaris nun in den Rang eines besonderer Beachtung würdigen Himmelskörpers.
    Und so kreiste denn an die vier Jahre nach dieser Entdeckung Ottenskjolds Expedition um den Planeten und untersuchte ihn vom Laokoon und von zwei Begleitschiffen aus. Diese Expedition hatte den Charakter provisorischer, improvisierter Auskundschaftung, zumal da sie nicht zum Landen ausgerüstet war. Sie brachte in Äquator- und Pol-Umlaufbahnen eine größere Anzahl von Beobachtungssatelliten an, deren Hauptaufgabe die Messung der Gravitationspotentiale war. Überdies wurden die fast gänzlich vom Ozean bedeckte Planetenoberfläche und die wenigen aus seinem Niveau herausragenden Hochebenen erforscht. Diese erreichen insgesamt nicht den Flächeninhalt Europas, obwohl die Solaris um zwanzig Prozent größeren Durchmesser hat als die Erde. Diese unregelmäßig verstreuten Brocken von felsigem und ödem Land häufen sich vor allem auf der Südhalbkugel. Man stellte auch die Zusammensetzung der Atmosphäre fest, die keinen Sauerstoff enthält, und maß überaus genau die Dichte des Planeten sowie die Albedo und andere astronomische Elemente. Wie erwartet, wurden keine Spuren von Leben aufgefunden, weder an Land, noch gewahrte man welche am Ozean.
    Während weiterer zehn Jahre zeigte die Solaris, nun schon im Zentrum der Aufmerksamkeit aller Observatorien dieses Bereichs, erstaunliche Tendenz zur Beibehaltung ihrer außer allem Zweifel gravitationsmäßig unbeständigen Umlaufbahn.
    Eine Zeit lang roch die Angelegenheit nach Skandal, denn die Schuld an einem solchen Beobachtungsergebnis suchte man (immer aus Sorge um das Wohl der Wissenschaft)
    bald auf bestimmte Leute zu schieben, bald auf die Rechenanlagen, deren sie sich bedienten.
    Der Mangel an Geldmitteln zögerte die Entsendung einer
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