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Solaris

Solaris

Titel: Solaris
Autoren: Stanislaw Lem
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   Vielleicht hast du Hunger…?
    -    Nein. Wo ist Gibarian?
    Er trat ans Fenster, als hätte er meine Frage nicht gehört. Den Rücken zu mir gewandt, sah er wesentlich älter aus. Das kurzgeschorene Haar war weiß, den sonnverbrannten Nacken zeichneten Falten, tief wie Schnitte. Vor dem Fenster glitzerten die großen Kämme der Wellen, die sich so langsam hoben und senkten, als sollte der Ozean gerinnen. Beim Hinschauen gewann man den Eindruck, die Station verschiebe sich eine Spur seitwärts, als ob sie von einem unsichtbaren Untersatz glitte. Dann kehrte sie ins Gleichgewicht zurück und ging mit ebenso träger Neigung nach der anderen Seite. Aber das war wohl Täuschung. Fetzen schleimigen Schaums in der Farbe von Blut sammelten sich in den Kesseln zwischen den Wellen. Einen Augenblick lang spürte ich einen flauen Druck in der Magengrube. Die trockene Ordnung an Bord des Prometheus erschien mir als etwas Wertvolles, unwiederbringlich Verlorenes.
    -    Hör zu… - rührte sich unverhofft Snaut - momentan bin nur ich… - Er wandte sich um. Rieb sich nervös die Hände. - Du wirst dich mit meiner Gesellschaft zufriedengeben müssen. Vorläufig. Sag Ratz zu mir. Du kennst mich nur vom Foto, aber das macht nichts, alle sagen so. Ich fürchte, dagegen ist nichts zu wollen. Wenn einer im übrigen Eltern mit so kosmischen Ambitionen gehabt hat, wie ich, dann klingt Ratz erst so richtig…
    -    Wo ist Gibarian? - fragte ich hartnäckig noch einmal. Er blinzelte.
    -    Tut mir leid, daß ich dich so empfangen habe. Das … ist nicht nur meine Schuld. Ich hab ganz vergessen, hier hat sich viel abgespielt, weißt du…
    -    Ach, in Ordnung - antwortete ich. - Genug davon. Also was ist mit Gibarian? Er ist nicht in der Station? Er ist irgendwohin geflogen?
    -    Nein - antwortete er. Schaute in den Winkel, der mit Kabelspulen vollgestellt war. - Er ist nirgendshin geflogen. Und wird nicht fliegen. Dadurch eben … unter anderem…
    -    Was? - fragte ich. Immer noch waren mir die Ohren verstopft, und ich glaubte schlechter zu hören. - Was soll das heißen? Wo ist er?
    -    Du weißt es eh schon - sagte er in ganz anderem Ton. Sah mir kalt in die Augen, daß mich ein Frösteln überlief. Vielleicht war er auch betrunken, aber er wußte, was er sagte.
    -    Da war was … ?
    -    Da war was.
    -    Unfall?
    Er nickte. Er bejahte nicht nur, er hieß es auch gut, wie ich reagierte.
    -    Wann?
    -    Heute vor Tag.
    Merkwürdig, ich verspürte keinen Schock. Dieser ganze kurze Austausch einsilbiger Fragen und Antworten beruhigte mich eher durch seine Sachlichkeit. Ich bildete mir ein, daß ich Snauts zuvor unverständliches Verhalten jetzt schon begriff.
    -    Wie?
    -    Zieh dich um, räum die Sachen ein und komm wieder her… in… sagen wir, in einer Stunde.
    Ich zauderte einen Moment.
    -    Gut.
    -    Wart - sagte er, als ich mich zur Tür wandte. Er schaute mich eigentümlich an. Ich sah: was er sagen wollte, das wollte ihm nicht über die Lippen.
    -    Wir waren drei, und jetzt mit dir sind wir wieder drei. Kennst du Sartorius?
    -    Wie dich, vom Foto her.
    -    Er ist oben im Laboratorium, und ich nehme nicht an, daß er vor der Nacht von dort herauskommt, aber… jedenfalls erkennst du ihn. Wenn du sonst jemanden sehen solltest, verstehst du, nicht mich und nicht Sartorius, verstehst du, dann …
    -    Was, dann?
    Ich wußte nicht, ob ich träumte. Vor dem Hintergrund der schwarzen Wellen, die im Licht der sinkenden Sonne blutig glitzerten, setzte er sich in den Lehnsessel, ließ den Kopf hängen wie zuvor und schaute zur Seite, auf eine Spule mit aufgewickeltem Kabel.
    -    Dann … mach gar nichts.
    Ich brauste auf. - Wen kann ich sehen? Ein Gespenst?!
    -    Ich verstehe dich. Du denkst, ich bin verrückt geworden. Nein. Ich bin nicht verrückt geworden. Ich kann dir das nicht anders sagen… vorläufig. Im übrigen, vielleicht… geschieht gar nichts. Jedenfalls denk daran. Ich hab dich gewarnt.
    -    Wovor!? Wovon redest du?
    Beherrsch dich - er redete hartnäckig seines. - Benimm dich, wie wenn… sei auf alles gefaßt. Das ist unmöglich, ich weiß. Versuch es trotzdem. Das ist der einzige Ausweg. Sonst weiß ich keinen.
    -    Aber WAS werde ich sehen!!! - ich schrie fast. Kaum hielt ich mich davor zurück, ihn an den Schultern hochzureißen und tüchtig zu schütteln, wie er so das aß, in den Winkel starrte, mit diesem
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