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Solaris

Solaris

Titel: Solaris
Autoren: Stanislaw Lem
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die Kapsel in senkrechte Lage zurück; im Sichtfenster funkelte in quecksilbrigem Licht, gewellt bis an den rauchigen Horizont, der Ozean; die knarrenden Leinen und Ringe des Fallschirms hakten sich plötzlich los und flogen über den Wellen dahin, vom Wind getragen, und die Kapsel schaukelte weich, mit dieser eigentümlichen verlangsamten Bewegung, wie gewöhnlich in einem künstlichen Kraftfeld, und senkte sich hinunter. Das letzte, was ich noch sehen konnte, waren die gegitterten Fliegerkatapulte und zwei wohl etliche Stock hoch aufragende Spiegel fein durchbrochener Radioteleskope. Etwas stoppte die Kapsel mit dem durchdringenden Laut von Stahl, der elastisch gegen Stahl schlägt, etwas öffnete
    sich unter mir, und mit einem gedehnten, schnaufenden Seufzer beendete die metallene Nußschale, in der ich aufrecht feststeckte, ihre hundertachtzig Kilometer lange Reise.
    - Station Solaris. Null und null. Landung beendet. Ende - vernahm ich die tote Stimme der Kontrollvorrichtung. Mit beiden Händen (ich spürte einen unbestimmten Druck auf der Brust, und die Eingeweide wurden als unangenehme Last spürbar) faßte ich den Griff hinter meinen Schultern und trennte die Kontakte. Die grüne Aufschrift ERDE leuchtete auf, und die Wand der Kapsel öffnete sich; das pneumatische Bett stieß mich leicht in den Rücken, so daß ich, um nicht zu fallen, einen Schritt vorwärts machen mußte.
    Mit leisem Zischen, fast wie mit einem resignierten Seufzer, verließ die Luft die Windungen des Raumanzugs. Ich war frei.
    Ich stand unter einem silbrigen, wie ein Kirchenschiff hohen Trichter. Die Wände herab liefen Bündel farbiger Rohre und verschwanden in kleinen runden Schächten. Ich wandte mich um. Die Ventilationskanäle röhrten und sogen die Restchen giftiger Planetenatmosphäre ein, die während der Landung hier eingedrungen waren. Leer, wie ein geplatzter Kokon, stand die zigarrenförmige Kapsel auf einem Becken, das in eine stählerne Erhöhung eingelassen war. Die Außenbleche waren schmutzigbraun verrußt. Ich ging eine kleine Rampe hinab. Danach war auf das Metall eine rauhe Plastikschicht aufgespritzt. An den Stellen, wo gewöhnlich die fahrbaren Raketenheber entlangrollten, war sie bis auf den nackten Stahl abgewetzt. Auf einmal verstummten die Gasverdichter der Ventilatoren, und völlige Stille trat ein. Ich schaute ein wenig hilflos umher, wartete auf das Auftauchen irgendeines Menschen, aber noch immer kam niemand. Nur ein Neonpfeil wies flammend auf ein lautlos gleitendes Fließband. Ich betrat es. Das Gewölbe der Halle verlief in einer schönen Parabel-Linie nach unten und ging in die Röhre des Korridors über. In seinen Nischen türmten sich Stöße von Flaschen für komprimierte Gase, von Tanks, Ringfallschirmen, Kisten, alles in Unordnung hingeschmissen, wie es kam. Auch das gab mir zu denken. Das Fließband endete bei einer runden Erweiterung des Korridors. Hier herrschte noch größere Unordnung. Unter einem Berg Blechkannen verströmte eine Pfütze öliger Flüssigkeit. Ein unangenehmer, starker Geruch erfüllte die Luft. Nach verschiedenen Seiten gingen Schuhspuren, deutlich abgedrückt in diesem klebrigen Saft.
    Zwischen den Blechbehältern kugelten Schlangen weißer Fernschreiberstreifen, zerrissene Papiere und Müll, das sah aus wie aus den Kabinen herausgefegt. Und wieder leuchtete ein grüner Anzeiger auf und verwies mich zur mittleren Tür. Dahinter verlief ein so enger Korridor, daß darin kaum zwei Leute aneinander vorbei konnten. Licht gaben die oberen Fenster, gegen den Himmel gerichtet, mit linsenartigen Glasscheiben. Noch eine Tür, im Schachbrettmuster weiß und grün gestrichen. Sie stand einen Spalt weit offen. Ich trat ein. Die halbkugelförmige Kabine hatte ein großes Panoramafenster; in ihm flammte der nebelverhängte Himmel. Unten verschoben sich lautlos die schwärzlichen Hügel der Wellen. In den Wänden waren lauter geöffnete Schränkchen. Sie waren angefüllt mit Instrumenten, Büchern, Trinkgläsern mit eingetrocknetem Bodensatz, verstaubten Thermosflaschen. Auf dem schmutzigen Fußboden standen fünf oder sechs mechanische >marschierende Tischlein<, dazwischen einige Lehnsessel, schlaff, denn die Luft war aus ihnen ausgelassen. Nur einer war aufgeblasen, mit zurückgebogener Lehne. In ihm saß ein kleiner, schmächtiger Mensch mit sonnverbranntem Gesicht. Die Haut schälte sich ihm in ganzen Fetzen von der Nase und den Jochbeinen. Ich kannte ihn. Das war Snaut, Gibarians
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