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Solar

Solar

Titel: Solar
Autoren: Ian McEwan
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Rest erledigt der Markt. Damit lässt sich jede Menge Geld machen. Aber Sonnenenergie - künstliche Photosynthese der Spitzenklasse -, dazu müsste nanotechnologische Grundlagenforschung betrieben werden. Wirklich, Professor Beard, das könnte unsere Chance sein!«
    Aldous hielt ihm die Tür auf, Beard stieg müde aus und sagte: »Danke für Ihre Ausführungen. Aber Sie sollten wirklich lernen, die Augen auf der Straße zu lassen.« Damit wandte er sich ab und schüttelte Braby die Hand.
    Seitdem hoffte er, auf seiner wöchentlichen Runde Aldous nicht allein zu begegnen; der junge Mann lag ihm ständig mit seiner Photovoltaik in den Ohren oder seiner quantentheoretischen Erklärung der Photovoltaik, überschüttete ihn mit seiner überbordenden Begeisterung, ohne zu merken, wie mürrisch Beard jedes Mal reagierte, wenn er wieder einmal dafür plädierte, die Arbeit an wudu einzustellen. Natürlich wäre es besser, das Projekt zu beenden, es verschlang ja fast den gesamten Etat, und je mehr Komplikationen es gab, desto weniger interessant wurde das Ganze. Aber es war Beards Idee gewesen, aufgeben hätte er als persönliche Niederlage empfunden. Folglich konnte er den jungen Mann immer weniger leiden, seine grobknochige Visage mit den großen Nasenlöchern, seinen Pferdeschwanz, sein speckiges, aus roten und grünen Schnüren geflochtenes Armband, seine pharisäerhaften Ernährungsgewohnheiten - nichts als Salat und Joghurt in der Kantine -, seine Angewohnheit, sich mit seinem Tablett ungefragt so nah wie möglich zu seinem Chef zu setzen, der sich wenig begeistert anhören musste, dass Aldous bei der Bezirksmeisterschaft im Boxen für Norfolk angetreten war, für sein College in Cambridge gerudert und beim Marathon in San Francisco den siebten Platz errungen hatte. Aldous empfahl Romane, die Beard lesen solle - Romane! -, und zeitgenössische Musik, die Beard sich nicht entgehen lassen dürfe, und höchst bemerkenswerte Filme, Dokumentationen über den Klimawandel, die Aldous selbst schon alle mindestens zweimal gesehen hatte, aber wenn der Chef nichts dagegen habe, wolle er sie sich gern mit ihm zusammen noch einmal ansehen. Aldous konnte offenbar nicht anders: Ständig musste er in seinem Norfolker Geleier Ratschläge erteilen, Empfehlungen geben, auf Veränderungen drängen oder von irgendwelchen Reisen, Urlauben, Büchern oder Vitaminen schwärmen - und selbst das klang wie ein Memento. Nichts verschliss Beards Wohlwollen so sehr, als zum wiederholten Mal zu hören, er müsse unbedingt mal einen Monat im Swat -Tal verbringen.
    Er machte seine Runde durch die Büros in dem Gebäude, wo früher Ziegelstaub und Isoliermaterial aus Glasfasern auf gesundheitsschädliche Folgen getestet wurden, und sprach mit Ingenieuren, Konstruktionszeichnern und nebulösen Energieberatern, die ein weitschweifiges Dokument mit dem Titel »Auf dem Weg zu Mikrowind 4.2« verfasst hatten, bei dem er nicht über den ersten Absatz hinausgekommen war. In diesem Sommer wurden von der Personalabteilung, die selbst gerade erst eingestellt worden war, so viele neue Leute angeheuert, dass er Woche für Woche einem halben Dutzend Fremden erklären musste, wer er war. Sie alle hatten irgendwie mit wudu zu tun, und allmählich verließ Beard der Mut. Trotz der ganzen Schufterei war noch nichts für die Tests in Farnborough bereit, niemand hatte sich wirklich mit dem Turbulenzproblem beschäftigt, und weil es keine Möglichkeit zur billigen und effizienten Stromspeicherung gab, war auch das Problem, was bei Windstille zu tun wäre, immer noch ungelöst. Die Entwicklung einer leistungsstarken Batterie für die Versorgung von Wohnhäusern - das wäre ein revolutionäres Projekt gewesen, doch diesen Vorschlag konnte er jetzt nicht mehr machen, da fast alle bei wudu eingespannt waren, ganz davon zu schweigen, dass ausgerechnet Tom Aldous ständig auf die Entwicklung neuer Batterien drängte. Immer noch besser, an der Kalksteinküste von Dorset einen kleinen Atomreaktor zu bauen, als Millionen Dächer durch Schubspannung und Vibration und die widerstreitenden Kräfte und Drehmomente einer nutzlosen Konstruktion kaputtzumachen, wo doch ohnehin selten ausreichend Wind für eine nennenswerte Stromproduktion zur Verfügung stand.
    Während er verdrossen von einem Büro zum nächsten ging, fragte sich Beard mit leichtem Selbstbedauern, wie es möglich war, dass auf eine von ihm achtlos fallengelassene Bemerkung hin der ganze Verein nur noch mit diesem
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