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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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Leopold Komplimente für sein prachtvolles Schloss gemacht, eine Flasche Wodka getrunken und diverse Blinis mit Kaviar hinuntergeschlungen hatte, sagte er: »Ich bin serr müde, Reise war serr anstrrengend. Ich werrde mich jetzt zurrrückziehen. Bis morrgen, mein Täubchen.« Nach mehreren schmatzenden Küssen und zahlreichen heftigen Umarmungen ließ er sich von Alfons in den Seitenflügel geleiten. Allzu müde schien er nicht gewesen zu sein. Bis Mitternacht schallten lautes Lachen, russische Trinksprüche und Balalaikamusik aus seinen Räumen, was Elfriede Carla bereits am nächsten Morgen berichtete.
    »Die Buschtrommel funktioniert ja mal wieder blitzschnell«, sagte Hanno lachend beim Frühstück.
     
    Die Trauung fand am späten Nachmittag des folgenden Tages in der geräumigen Schlosskapelle statt. Die Bankreihen waren mit frischen Maiglöckchenbouquets geschmückt, und über dem Altar hing ein Meer von Orchideen. Blumenkinder hatten den Gang durch das Kirchenschiff mit weißen Rosenblättern bestreut. Alle Gäste waren in »großer Toilette«: die Damen in Abendkleidern, die Herren in Cut, Frack oder Uniform.
    Als die Braut am Arm ihres Vaters die Kirche betrat, ging ein Raunen durch die Reihen. Neben dem riesengroßen Fürsten in seiner mit Goldtressen verzierten Kosakenuniform wirkte die ebenfalls hochgewachsene Nataschafast zierlich. Sie war überirdisch schön. In ihrem weiß gepuderten Gesicht leuchtete ein dunkelroter Mund. Die hohen Wangenknochen waren mit einem Hauch Rouge betont und die großen, grünen Augen schwarz umrandet, was ihr eine marmorne Kühle verlieh. Auf dem Kopf – die schwarzen, in der Mitte gescheitelten Haare waren streng nach hinten frisiert – trug sie eine Tiara von Peter Carl Fabergé, dem aufsteigenden Juwelier von St. Petersburg. An der Tiara, sie war besetzt mit taubeneigroßen Rubinen und Diamanten, war der Schleier befestigt, der in einer langen Schleppe endete. In den Lockentuffs hinter den Ohren steckten frische Maiglöckchen, und das Kleid aus weißem Damast mit eingewebten Silberfäden bestand aus hundert Metern Stoff. Die enge Korsage entblößte ein üppiges Dekolleté. Am oberen Rand war sie besetzt mit einer Rüsche aus teuerster weißer Spitze, die über den Schultern in kleinen Ärmeln endete. Unter dem Mieder bauschte sich ein weiter, in schwere Falten gelegter Rock, der vorn fächerartig auseinanderfiel und einen mit unzähligen Volants aus der gleichen Spitze besetzten Unterrock zeigte. Das Ganze wurde gehalten von einer Krinoline, die am unteren Rand einen Umfang von fünf Metern hatte. Die Hochzeitsgesellschaft war sich einig: So etwas hatte sie noch nie gesehen. Und einige Damen fanden plötzlich ihre Abendgarderobe geradezu schäbig, was sie aber wohlweislich für sich behielten.
    Den ganzen Abend über floss der Champagner in Strömen, und Fürst Orlowski und seine Entourage tranken reichlich Wodka. »Nastrowje«, prosteten sie jedem zu, der in ihre Nähe kam, und nötigten ihn zum Mittrinken. Trotzdem schwankte der Fürst nicht, als er mit seiner Tochter den Ball eröffnete.
    Nachdem Carla und ihre Freundin Irina einige Tänze absolviert hatten, zogen sie sich auf eine Récamière am Rand der Tanzfläche zurück und beobachteten die sich im Walzer wiegenden Paare. »Die Krinolinen von Worth sind neuerdings nicht mehr aus Eisen, sondern aus einem leichten Metall«, sagte Carla. »Das hat mir Natascha erzählt. Wie angenehm muss es sein, nicht mehr die schweren Dinger mit sich herumzuschleppen.« Gerade tanzte das Brautpaar an ihnen vorbei. »Ist er nicht ein schöner Mann, mein kleiner Bruder?« Carla warf Leopold eine Kusshand zu.
    »Ach ja«, seufzte Irina, deren Mann nun wirklich kein Adonis war. »Alle heiratsfähigen Frauen in und um Königsberg werden heute Trauer tragen.«
    Leopold sah wirklich blendend aus. Mit seinen ein Meter achtundachtzig übertraf er selbst das preußische Gardemaß. Er war gertenschlank, und bis auf seine langen Koteletten war er glatt rasiert. Seine vollen blonden Haare hatte er mit Pomade nach hinten gekämmt, und wenn er lachte, entblößte er unter seiner leicht gebogenen aristokratischen Nase ein blendend weißes Gebiss. Und er lachte viel an diesem Abend.
    »Schau mal, wie Natascha strahlt«, rief Irina.
    »Ja, so glücklich habe ich sie noch nicht gesehen, seit sie auf Troyenfeld ist«, stimmte Carla zu. Sie senkte die Stimme. »Ich hatte schon Bedenken, dass ihr Vater ihren angeblichen Liebhaber mitbringt. Aber die
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