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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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das sei ungehörig.« Er musste lachen. »Wir sind auf jeden Fall auf eine Invasion vorbereitet. Alle verfügbaren Räume sind beheizt. Und eines weiß ich bestimmt: Noch einmal heiraten werde ich ganz sicher nicht. Das ist mir zu anstrengend.«
    Das wollen wir auch nicht hoffen , dachte Carla. Aber sie hütete sich, es laut auszusprechen.
     
    Am Tag vor der Hochzeit trafen die ersten Gäste ein. Lakaien wiesen ihnen die Zimmer zu, und die Stubenmädchen bekamen den Auftrag, die Kleider der Damen aufzubügeln. Am frühen Abend, Natascha war gerade damit fertig geworden, die Empfangshalle und die ineinander übergehenden Salons und Festsäle in ein Blumenmeer zu verwandeln, fuhren mehrere sechs- und achtspännige Kutschen vor. Ihr Vater war angekommen. Er sah furchterregend aus: ein Riesevon fast zwei Metern, das Gesicht vollständig bedeckt mit einem wallenden feuerroten Bart, und unter seiner hohen Pelzmütze quollen lange Locken in derselben Farbe hervor. Er trug einen bodenlangen Zobelmantel und darunter ein besticktes Hemd mit Stehkragen, das sich über seinem mächtigen Bauch spannte. Die engen Hosen steckten in hohen Lederstiefeln. Ungeachtet seiner Leibesfülle stürmte er, vorbei an den sprachlosen Dienern und Lakaien, die Freitreppe hinauf in die Halle und rief mit dröhnender Stimme: »Töchterrrchen, Natascha, mein Täubchen, wo bist du? Dein Väterrchen ist da!«
    Mit gerafften Röcken rannte Natascha auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. »Väterchen, du bist da, endlich!« Es folgten schmatzende Küsse und ein Schwall russischer Begrüßungsworte, durchsetzt mit deutschen Brocken.
    Angelockt von dem Lärm erschien Leopold, der ebenfalls mit Umarmungen, Küssen und heftigem Schulterklopfen begrüßt wurde. »Kochta, kümmern Sie sich bitte um die Begleitung des Fürsten«, flüsterte er seinem Haushofmeister zu.
    »Ich werde die Herrschaften im linken Seitenflügel unterbringen.« Kochta warf einen bedeutungsvollen Blick auf den Fürsten und eilte, gefolgt von einem Schwarm Lakaien, hinaus zu den Kutschen, aus denen bereits ein buntes Völkchen herausquoll: drei junge, üppige Frauen in teuren Pelzen, die Carla später als Kokotten bezeichnete, womit sie zweifellos recht hatte, einige finster aussehende Männer in Orlowskis Alter, Weggefährten aus seiner Kosakenzeit, und eine Truppe Musiker, das Orlowski’sche Balalaikaorchester, das auf keinem seiner Feste fehlen durfte. Außerdem hatte Orlowski Diener, Kutscher und Zofen mitgebrachtsowie Gepäckstücke von riesigen Ausmaßen, in denen die Krinolinenkleider der weiblichen Begleitung verstaut waren.
    Während die Truppe lärmend den Seitenflügel besetzte, durchschritt der Fürst am Arm seiner Tochter die prachtvollen Räume des Schlosses. Durch die breite Flügeltür an der Stirnseite der Halle, die normalerweise geschlossen war, betraten sie den ersten der drei großen Salons. Wie die anderen beiden war er mit diversen Sitzgruppen und dicken Orientteppichen ausgestattet. An den Wänden hingen Gemälde alter Meister oder handgeknüpfte Gobelins. Die hohen Sprossenfenster, die auf den weitläufigen Park hinausgingen, waren mit üppigen Vorhängen und Schabracken aus kostbarem Seidenmoiré behangen. Überall standen Stechpalmen und riesige Blumenarrangements, die einen betörenden Duft verströmten. Der anschließende große Speisesaal war verschlossen. »Dort wird gerade eingedeckt«, sagte Natascha, »da wollen wir lieber nicht stören. Komm, Väterchen, ich zeige dir jetzt meine Gemächer.«
    Ihr Boudoir war ganz in Taubenblau gehalten. Die Vorhänge und die Bezüge der zierlichen Sitzmöbel waren aus schwerer Seide. Auf Säulen aus Onyxmarmor standen Fayencevasen mit frischen Lilien und Orchideen, und überall auf Beistelltischchen befanden sich kostbarer Nippes und Schmuckschatullen aus Ebenholz mit Intarsien aus Elfenbein. Wie in allen Räumen des Schlosses gab es an den Decken üppigen Stuck. Das Badezimmer hatte eine silberne Badewanne – eine ausgesprochene Seltenheit in Ostpreußen –, die zwischen hohen Spiegeln auf einem Marmorboden stand und täglich zweimal von den Stubenmädchen mit heißem Wasser gefüllt werden musste.
    »Schönn, serr schönn.« Der Fürst war beeindruckt. »Firr deitsche Verrhälnisse serr gutt.« Das war das höchste Lob, das er aussprechen konnte, das wusste Natascha.
    Im kleinen Salon erwartete Leopold seine Frau und seinen Schwiegervater mit einem kleinen Imbiss und eisgekühltem Wodka. Nachdem der Fürst
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