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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition)
Autoren: Petra Durst-Benning
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vertrieben. Er hatte die Schmiedewerkstatt, in der sein Vater wochentags von acht Uhr am Morgen bis acht Uhr am Abend Pferde beschlug, für sich allein. Das Herz des Jungen machte einen übermütigen Hüpfer. Wie gut, dass es ihm gelungen war, den Schlüssel zu stibitzen! Bevor die Eltern zurückkamen, würde er ihn in die entsprechende Schublade zurücklegen.
    Der Junge grinste, dann legte er den Riegel vor. Es war ihm natürlich verboten, sich allein hier aufzuhalten. Seine Mutter, sein Vater, seine Schwestern – sie alle wussten um seine Begeisterung für die Werkzeuge des Vaters und nannten sie gefährlich. Aber die Erwachsenen hatten keine Ahnung. Die scharfen Messer, mit denen Vater die Hufe ausschnitt, die mächtigen Raspeln zum Abtragen des Horns, die Nietklinge und die Hufnägel – aufregendes Spielzeug, alles miteinander.
    Doch heute streifte der Junge die Werkzeuge mit keinem Blick. Stattdessen ging er sofort zur Feuerstelle, in der die Hufeisen so lange erhitzt wurden, bis das Eisen auf dem Amboss geschmiedet werden konnte.
    Der Junge liebte Feuer. Die rotgoldenen Flammen, die Hitze, das aufregende Knistern. Feuer zu machen war natürlich auch verboten. Oder besser gesagt VERBOTEN  – ein Wort mit acht Großbuchstaben!
    Wenn man Zeitungspapier verbrannte, bestand die Kunst darin, eine einzelne Seite so lange wie möglich am Lodern zu halten. Dies konnte einem auf verschiedene Arten gelingen: indem man die Zeitung auf spezielle Weise zusammenknüllte oder sie mit einem kleinen Holzspan hin und her bewegte und während des Verbrennens in kleine Stücke zerriss. Gut war es auch, wenn man vorher Hufnägel in das Papier einwickelte. Noch besser brannten mit Zeitungspapier umwickelte dünne Hufspäne. Welche die beste Methode war, darüber war sich der Junge noch nicht im Klaren. Aber heute würde er ausgiebige Versuche dazu anstellen. In seiner eigenen Feuerstelle. In der Mitte der Scheune, auf dem Steinboden.
    Freudig zog er die Schublade auf, in der sein Vater die Streichholzschachteln aufbewahrte.
    Verbotenes.
    »Felix? Felix, wo bist du? Du Lausbub, wo hast du dich versteckt?«
    Die Miene des Jungen war angespannt. Ausgerechnet jetzt musste Josefine daherkommen und nach ihm suchen! Er brauchte doch nur noch ein paar Minuten, dann hatte er die Versuche seiner Testreihe für den heutigen Tag abgeschlossen. Ein weiteres Streichholz schon in der Hand, ging er mit flinken Schritten zur hinteren Scheunentür und verriegelte auch diese. So. Nun konnte sich seine liebe Schwester die Kehle aus dem Leib schreien!
    Er grinste.
    Nach seinem letzten Versuch würde er die Papierasche zusammenkehren, und wenn alles sauber war, würde er die Türen wieder öffnen. »Was ist denn?«, würde er lammfromm fragen und Josefine seine Holzpferde vorzeigen. »Ich habe doch nur ein wenig im Heu gespielt.«
    Um seine Ausrede später glaubhaft untermauern zu können, zog er einen der Heuballen, die während des Beschlagens an unruhige Pferde verfüttert wurden, in die Raummitte. Dort hatte er auf den kalten Steinfliesen seine Feuerstelle eingerichtet. Oder besser gesagt sein »Labor«. Herr Günthner, sein Lehrer, hatte gesagt, dass überall im Kaiserreich Wissenschaftler in Laboren tätig waren, um bahnbrechende Erkenntnisse für neue Erfindungen zu erlangen. Vielleicht würde ihm das auch gelingen? Voller Eifer ging der Junge wieder in die Hocke.
    Wenn er einen zusammengeknüllten Zeitungsbogen verbrannte, konnte er bis zwanzig zählen, ehe das letzte bisschen Glut erlosch. Ein Bogen gespickt mit Hufnägeln hielt die Hitze und somit die Glut länger in sich, er hatte dabei schon bis dreiundzwanzig gezählt. Die anderen Tests waren alle schlechter ausgefallen.
    Nun galt es … Der Junge zündete einen neuen Bogen Papier an, dann nahm er zwei dünne, lange Holzspäne in je eine Hand. Vorsichtig zupfte er damit das Papier auseinander, bis er zwei brennende Teile hatte. Gut! In wie viele kleine Teile er den glühenden Bogen wohl würde trennen können? Und wie lange würden diese brennen?
    Wie immer, wenn sich der Junge konzentrierte, schob er die Unterlippe über die obere. Vier Teile, fünf … Wie ärgerlich, die kleinen verglühten sehr schnell. Ein Ascheflöckchen segelte ihm in die Nase, kitzelte ihn. Er schnaubte heftig. Durch den Lufthauch flog einer der größeren brennenden Papierfetzen in die Höhe. Er landete genau am Fuß des Heuballens.
    Erschrocken sprang der Junge auf. Ein Schauer durchfuhr den Körper des
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