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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition)
Autoren: Petra Durst-Benning
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und allen anderen körperlich überlegen zu sein, ging sie weiter.
    »Glaub nicht, dass du mir so einfach davonkommst! Dafür wirst du noch bezahlen«, hörte sie Adele halbherzig hinter sich rufen.
    Josefine hatte sich gerade auf einem neuen Bett niedergelassen, als sie aus dem Augenwinkel bemerkte, wie sich Adele und ihr Gefolge nun dem zweiten Neuzugang widmeten.
    »Nein, bitte nicht … Die Haarspange gehörte meiner verstorbenen Schwester, sie ist meine einzige Erinnerung an sie!«, rief das etwa vierzehnjährige Mädchen, während es sich vergeblich gegen Adele zur Wehr setzte. Es hatte rote, struppige Haare und sah ziemlich verwildert aus. Ein lautes Aufheulen folgte.
    Jo schloss die Augen.
    »Und was hast du noch?«, hörte sie eines der Mädchen fragen.
    »Nichts, so glaubt mir doch.« Die Stimme der Rothaarigen klang panisch.
    »Nichts gibt es nicht. Deine Unterwäsche. Und deine Socken, her damit!« Diesmal war es wieder Adele selbst, die so sprach.
    Ohne nachzudenken, stand Jo wieder auf. Ihre Müdigkeit war verflogen. Wütend stapfte sie auf Adele und ihre Gruppe zu.
    Sie war eine verurteilte Diebin. Und sie mochte viel zu viele Fehler haben. Aber sie war kein Feigling! Jahrelang hatte sie sich den Launen und Schikanen ihres tyrannischen Vaters widersetzt, der es stets darauf anlegte, ihren Willen zu brechen. Dass es ihm nicht gelungen war, verdankte sie dem Schutzpanzer, den sie sich im Laufe der Zeit hatte wachsen lassen. Da würde sie sich von einem Biest wie Adele gewiss nicht gleich am ersten Tag den Schneid abkaufen lassen. Und sie würde auch verhindern, dass sich das Weib an Schwächeren verging – auch wenn sich Adele zehnmal einbildete, hier das Sagen zu haben!
    Josefines Augen funkelten wütend, als sie Adele am Arm packte und ihr die Haarspange wieder abnahm. Ohne ihre Augen von der Widersacherin abzuwenden, gab sie das verbogene Stück Blech an die Rothaarige zurück.
    »Lass die Kleine in Ruhe, sonst bekommst du es mit mir zu tun.« Ihre Stimme war leise und beherrscht, dafür umso bestimmter.
    Adeles Fausthieb erfolgte unvermittelt, Jo hatte keine Zeit, sich dagegen zu wappnen. Der Schmerz, der sie durchfuhr, war so heftig, dass ihr einen Moment lang die Luft wegblieb. Im nächsten Moment prasselten weitere Schläge auf sie ein, von links, von rechts, von oben und unten. Stöhnend sackte Josefine wie ein Klappmesser auf dem Steinboden zusammen. Wohlige Befriedigung lag in der Luft, als die anderen jungen Frauen unter Gemurmel und Gekicher einen Schritt zurücktraten.
    Sogleich war die Rothaarige bei ihr, mit erschrockener und entsetzter Miene strich sie ihr die Haare aus der Stirn. »Du bist verrückt. Mit so einer legt man sich doch nicht an …«, flüsterte sie, während sie Adele angstvoll im Blick behielt.
    »Falls euch beiden immer noch nicht klar ist, nach wessen Pfeife hier alle tanzen, können wir diese Lektion jederzeit wiederholen«, zischte Adele, die noch immer in Siegerpose dastand.
    Josefine stöhnte – einer der letzten Schläge hatte sie schmerzhaft mitten in die Rippen getroffen. Mit letzter Kraft schob sie sich an der Rothaarigen vorbei. Sie erwischte Adeles linkes Fußgelenk gerade noch, bevor diese sich entfernen konnte. Prompt verlor die andere das Gleichgewicht und stürzte der Länge nach zu Boden.
    Jo rappelte sich auf und ließ sich mit ihrem ganzen Gewicht auf Adeles Brust fallen. Gleichzeitig drückte sie mit ihren Händen deren Arme nach unten. Schwer keuchend schaute sie Adele an und sagte: »Bisher wäre es mir nicht im Traum eingefallen, mich an Schwächeren zu vergehen. Aber du selbst hast mir gerade vorgemacht, wie es geht!« Sie presste ihr rechtes Knie fester auf Adeles Brust, die daraufhin einen Schmerzensschrei ausstieß. Jo lächelte. »Schmeckt dir deine eigene Medizin etwa nicht? Wenn du nicht mehr davon haben willst, dann lass das Mädchen in Ruhe. Und mich ebenfalls!« Abrupt gab sie die Arme der anderen frei und wandte sich mit einem letzten verächtlichen Schnauben ab.

2. Kapitel
    Die Scheunentür knirschte, als der Junge sie hinter sich zuzog. Dunkelheit und der altbekannte Duft nach Leder, Hufspänen und Asche umfingen ihn. Seine Ohren lauschten wachsam. Weit und breit keine Menschenseele, nicht einmal eine Maus lugte an diesem sonnigen Sonntagmittag unter den Heu- und Strohballen hervor, die im hinteren Teil der Scheune aufgestapelt waren. Seine Eltern waren zu Besuch bei Verwandten, seine lästige Schwester Josefine hatte er
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