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Sokrats für Manager

Sokrats für Manager

Titel: Sokrats für Manager
Autoren: Andreas Drosdek
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könnte, erkannte Laches allmählich, dass er nicht wirklich verstand, was Tapferkeit im Kern bedeutet und wie sie sich genau von anderen Haltungen und Einstellungen unterscheidet. Mit dem Priester Euthyphron erörterte Sokrates dagegen das Thema Frömmigkeit. Aber auch mit Handwerkern sprach er über ihre Tätigkeit. Bei allen Gesprächspartnern stellte er fest, dass sie die Welt meist aus ihrer begrenzten Perspektive sahen. Der Krieger Laches sah Tapferkeit allein in der Schlacht, der Priester Euthyphron in der ritualisierten, rigiden Frömmigkeit. Die Politiker interessierten sich vor allem für die Gewinnung von Macht und das gute Leben, das sie sich von ihrer Position erhofften. Sokrates dagegen weigerte sich stets, sich für ein politisches Amt vereinnehmen zu lassen. Seiner Überzeugung nach führte eine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stand zu entsprechenden Vorurteilen und mentalen Scheuklappen. Ebenso könnten materielle Interessen oder unethische Verpflichtungen gegenüber Freunden oder der Familie die Urteilskraft beeinflussen und trüben. Sokrates war kein Freund politischer Ränkespiele und vernetzter Seilschaften. Für ihn gab es nur eine legitime Gemeinsamkeit, die höchste Priorität einnehmen konnte: das gemeinsame Suchen nach Wahrheit. Auch ein Manager ist in konkrete Verantwortung eingebunden, die zu dem Druck führt, sich von der eigenen Stellung im Unternehmen vereinnahmen zu lassen. Berüchtigt ist zum Beispiel die übliche Kontroverse zwischen Technikern und Marketing-fachleuten um die Umsetzungsmöglichkeiten einer Idee. Die einen sind von den neuen technischen Möglichkeiten begeistert, den anderen geht es nur darum, was sich wie (bei möglichst niedrigen Produktionskosten) am besten verkaufen lässt. Je nach eigenem Hintergrund ist dann auch der jeweilige Manager oft in der einen oder anderen Weise voreingenommen, vor allem, wenn er einer der entsprechenden Abteilungen vorsteht. Echte Führung erweist sich in einem Unternehmen aber vor allem dort, wo das Gesamtinteresse im Vordergrund steht und das Management versucht, mit der eigenen Arbeit diesem Gemeinwohl zu dienen. Vorraussetzung hierfür ist aber Selbsterkenntnis: Nur, wenn ich mir bewusst bin, dass ich eventuell voreingenommen bin, kann ich gezielt dagegen vorge-hen. Wer auf diese Weise ein positives Beispiel setzt, kann zumindest in einem Unternehmen mit produktiven Werten und einer gesunden Unterneh-menskultur dazu beizutragen, dass alle an einem Strang ziehen, statt sich in Einzelinteressen zu verzetteln. So würde für Sokrates das langfristige Ziel des Unternehmens etwa darin liegen, gleichzeitig das Wohl aller Beteiligten, also sowohl der Investoren, als auch der Mitarbeiter und der Gesellschaft, ehrlich und mit höchster Kompetenz zu fördern. Sicherlich ist dies in der Praxis in diesem Maße nicht immer möglich, als erstrebenswert sollte es aber dennoch gelten. Und Vorraussetzung dafür ist das Streben nach Weisheit und Erkenntnis: »Da wir nämlich glückselig zu sein alle streben, und sich gezeigt hat, dass wir dies werden durch den Gebrauch der Dinge, und zwar den richtigen Gebrauch, diese Richtigkeit aber und das glückliche Gelingen uns die Erkenntnis zusichert: so muss demnach, wie man sieht, auf jede Weise ein jeder Mensch dafür sorgen, dass er so weise werde als möglich.«
    Gerade weil wir alle glücklich leben wollen, sollten wir nach Weisheit streben.
    Die dritte Wende :
    Das Gute als Ziel
    Was bedeutet »gut«?
    Als Sokrates mit seinem öffentlichen Wirken begann, gab es – wie bereits erwähnt – zwei philosophische Gruppierungen: auf der einen Seite die Naturphilosophen, die sich mehr oder weniger zweckfrei mit den Fragen des Kosmos und der Natur befassten, und auf der anderen Seite die Sophisten, die ausgefeilte Techniken zum Erreichen von weltlichem Erfolg entwickelt hatten. Sokrates brachte eine neue Perspektive in das menschliche Streben. Er sah die Aufgabe des Menschen vor allem darin, so tugendhaft wie möglich zu leben. Uns als modernen Menschen erscheint der Begriff »Tugend« antiquiert und irrelevant. Wir asso-ziieren mit ihm zum Beispiel Wörter wie Keusch-heit und Demut, Askese und Gutmenschentum. Das war aber nicht das, was Sokrates im Sinn hatte. Sein Konzept geht auf das griechische Wort arete zurück, das am besten mit dem Begriff »Tauglichkeit« übersetzt werden kann. Dieser Vorstellung nach ist »gut« im Sinne von »tugendhaft« das, was seine Funktion optimal erfüllt. Ein
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