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Sohn der Unendlichkeit

Sohn der Unendlichkeit

Titel: Sohn der Unendlichkeit
Autoren: Hans Kneifel
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verkörpert in sich das Können, das Wissen und den missionarischen Eifer der sterbenden Erde, was freilich schlecht bezahlt wird, denn auch er ist nur ein Erbe einer unbegreiflichen Unendlichkeit der Gedanken, ein Werkzeug Terras. Irgendwo auf der Schnittebene der Milchstraße wird er jene treffen, die vor undenkbarer Zeit den Schild des Dädalos hinterlassen haben. Wen sollen wir mehr betrauern? Den Kurier der Erde, oder die unvergleichliche Amaouri, die niemals wieder die Chance haben wird, einen Mann kennenzulernen, der Dorian Variatio ähnlich ist? Das glückliche Ende der Kurierreise zu den Planeten ferner Sterne ist zumindest fraglich oder in weiter Ferne. Und, wer weiß, ob die geätzten Punkte, Linien und Striche auf dem Halsschild des Dädalos auch wirklich Sterne sind? Ich weiß es nicht. Viele, die es wissen sollten, sind mißtrauisch geworden. Aber schon stimme ich, obgleich voll der Bewunderung für Dorians Mut, die Leier für den Totengesang des Trefflichen …
    Dorian mußte grinsen, als diese Sequenz seine Überlegungen durchwandert hatte. Der erste Gegenbeweis hing in Form eines brennenden Planeten vor dem Raumschiff, das nun in einen stabilen Orbit gesteuert wurde. Die Rezeptoren übernahmen einen Teil der Arbeit des Kuriers – sie stellten fest, wie sehr sich Fuega von der alternden Erde und von anderen bekannten Planeten unterschied. Oder auch weniger, denn das größere Wissen würde ihm die Unbefangenheit und Naivität nehmen, die Kennzeichen eines guten Kuriers war.
    Seine Gedanken wurden langsamer, die Bildfolgen wechselten träger, die Farben und Strukturen verschwammen.
    Einst, in einer grauen Vorzeit der Kultur, schien die Erde von Wesen aus dem Volk des klugen Dädalos besucht worden zu sein. Viele Kenntnisse waren den Menschen damals vermittelt worden. Jetzt schloß sich der Kreis: Die Erde besuchte ihrerseits Planeten, um mit Dorians Hilfe zu versuchen, Leben und Erkenntnisse, Kultur und den besten Teil der Zivilisation zu retten und weiterzugeben. Samen, die ausgestreut wurden … Dorian schlief ein.
     
    *
     
    Er stand nackt vor dem raumhohen Spiegel und musterte sich, während er die dünne Folie seines Anzugs überstreifte. Er tat dies mit unendlicher Vorsicht, denn die leichteste Unachtsamkeit konnte seinen Tod und das Ende der Mission bedeuten.
    Er sah sich überaus skeptisch an, während sich seine Lippen zu einem undeutbaren Lächeln verzogen.
    Ein großer, schlanker Mann mit hellbrauner, glänzender Haut. Er besaß nur Kopfhaar und Brauen; die V-Haut hatte bei ihm, dem vorläufig letzten einer endlos langen Reihe von winzigen Mutationen, sämtliches Haar und die winzigen Poren, aus denen die Härchen wuchsen, abgestoßen. Einhundertneunzig Zentimeter groß, mit zur Zeit grauen Augen, harten Muskeln und einigen scharfen Falten um Kinn und Mundwinkel. Sein Kopf war das Ergebnis von unzähligen kosmetischen Operationen in seiner frühesten Jugend; die Narben waren unsichtbar geworden. Die Gelenke waren schmal und kräftig, ebenso die Finger. Vorsichtig schloß er die breiten Säume des anliegenden Anzugs und probierte innerhalb einer halben Stunde sämtliche Hilfsgeräte aus. Natürlich funktionierten sie.
    »Ausgezeichnet!« sagte er zu sich selbst.
    Er ließ ein genau zusammengesetztes Gas ins Innere des Anzugs strömen, worauf sich die Folie an allen Stellen seines Körpers sechs Millimeter von der Haut entfernte. Dann machte er einige Übungen, um den Sitz des Hilfsanzugs zu testen: Alles war so perfekt wie während der tausend Tests auf Terra.
    »Noch besser!« bemerkte er.
    Rein äußerlich betrachtet, war er normal und unterschied sich kaum von jedem Erdenbewohner. Auch seine Gedanken und seine Furcht vor dem Abstieg nach Fuega waren normal. Dann allerdings endeten die Gemeinsamkeiten. Eigentlich war er, wenn er wollte, ein lebendes Laboratorium mit zahllosen Werkzeugen, von einem Hochleistungsrechner gesteuert, der dieselben Fehler machen konnte wie ein menschlicher Verstand. Das war sein Problem: Er konnte, wenn er nicht selektierte, an Reizüberflutung sterben, nachdem er wahnsinnig geworden war. Er verscheuchte bewußt die negativen Gedanken. Ein guter Kurier ist niemals mißgestimmt, hatte Diomed III. der Kybernos, ihm immer wieder gesagt.
    Kurze Zeit später tat er drei Dinge gleichzeitig.
    Er nahm ein ausgesprochen reichliches, aber mengenmäßig sehr geringes Frühstück mit wenig Flüssigkeit zu sich. Er betrachtete das Bild Amaouris, die beruhigend und liebevoll
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