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Soforthilfe bei Stress und Burn-out

Titel: Soforthilfe bei Stress und Burn-out
Autoren: Horst Kraemer
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Wochen war nicht klar, wie schlimm die Diagnose bei ihr war, was einen weiteren Stressfaktor bedeutete. Nach einem halben Jahr höchster Belastung verlor er immer mehr seine Konzentration, machte Fehler und traute sich am Schluss keine Entscheidung mehr zu. Alle Lösungsansätze waren für ihn unbrauchbar. Der Endpunkt: ständig schweißgebadet,
kaum noch Schlaf, fahrig, emotional extrem wechselhaft, von gereizt und jähzornig bis lange Zeit apathisch. Sein Hausarzt schrieb ihn krank und schickte ihn zum Psychiater. Der diagnostizierte eine Erschöpfungsdepression auf der Basis eines typischen Burn-out.
    Die Behandlung mit Medikamenten benötigte vier Wochen, bis der Zustand sich zumindest leicht verbesserte und die Klinikeinweisung anstand. Einen Vorabbesuch beschrieb Herr Bertram so: »Das war ein Schock. Stellen Sie sich das vor, ich bin wohl tatsächlich psychisch krank und soll in die Klinik. Dort gehen sie mit einem um, als wäre man entmündigt. Ich verstehe ja nichts von dem Fach, aber nach dem Gespräch mit der Oberärztin fühlte ich mich so klein und elend wie noch nie in meinem Leben. Wie soll es mir helfen, wenn ich plötzlich noch nicht einmal mehr mitreden darf, ich nicht einmal in den Park gehen darf, wenn ich will? Und dann die ganzen Menschen dort, die scheinen ja wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben. Bin ich wirklich genauso schlimm dran?«
    Die Verzweiflung muss für einen Mann, der bisher selbstbestimmt gelebt hat, recht groß sein, um sich so auszuliefern, wie es leider allzu häufig vom Regelgesundheitssystem als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Solche Erfahrungen bestätigen das Image und sind mit ein Grund, warum Menschen (vor allem Männer) lieber ihre Probleme ohne Fremdhilfe mit sich tragen, als Hilfe anzunehmen. Das Einlassen auf eine Behandlung geht meist mit einer persönlichen Verantwortungsübergabe einher, die als Selbstaufgabe erlebt wird. Diese Grundvoraussetzung zum Eintritt in eine psychosomatisch orientierte Klinik oder Behandlung schreckt viele ab.

    Je gesünder die Psyche eines betroffenen Menschen ist, umso mehr schützt diese Person sich vor solchen Behandlungsbedingungen - mit der fatalen Folge, auf eine Behandlung lieber zu verzichten. Fatal, weil dann der Zustand mit den Symptomen nicht besser wird und nur allzu oft in einer unglaublichen Verzweifelung endet. Und leider wird hier dann der Suizid oft als einziger selbstbestimmter Ausweg gesehen.
    Zurück zu Herrn Bertram: Dieser wusste tief in sich und war davon überzeugt, dass er nicht psychisch krank war. Er suchte nach Alternativen zur Psychiatrie und Psychosomatik. Er fand diese Alternative und schon sechs Wochen später hatte er seinen ersten Arbeitsversuch hinter sich. Er betrachtete sich zu 100 Prozent als arbeitstauglich und belastbar. Sein Aufsichtsratsvorsitzender konnte gar nicht so schnell eine Vertretungslösung organisieren, wie er selbst wieder fit und leistungsfähig an seinem Arbeitsplatz zurück war.
    Es gibt diese Alternative - dass Burn-out nicht zum Knock-out führt, sondern lediglich eine Episode bleibt. Eine Episode, die zu einem Überdenken der Lebenssituation führt und eventuell rechtzeitig ein Neujustieren im Leben ermöglicht. Wenn dies zeitnah möglich ist, gibt es keine Unterbrechung oder gar einen Einbruch in der Biografie. Dann kann diese Episode als Gewinn und Bereicherung in der Lebensgeschichte verbucht werden.
    Voraussetzung dazu ist es jedoch, dass betroffene Menschen die nötige Unterstützung auch annehmen. Wenn Burn-out das Stigma von psychischer Erkrankung mit lebenslanger Einschränkung oder jahrelangem Behandlungsbedürfnis anhängt oder angehängt wird, werden Menschen sich vor dieser Stigmatisierung schützen und
zu lange warten, bis sie sich den Verlust ihrer Vitalität durch Burn-out eingestehen. Solange die Behandlungen selbst nicht schnell und wirkungsvoll die Ursache, sondern unbefriedigend lange die Symptome therapieren, tun die betroffenen Menschen gut daran, sich vor diesen Behandlungen zu schützen.
    Ich befragte eine Reihe von Personen aus unterschiedlichsten Berufen. 80 Prozent von ihnen kannten einen Menschen persönlich, der schon einmal länger als drei Monate wegen Burn-out krankgeschrieben war. Dieses direkte Erleben erzeugt Betroffenheit und ein Bewusstsein für die Problemstellung. Daraus resultiert aber auch ein Bewusstsein, dass es
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