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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
Autoren: Lara Wegner
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Weder gab es einen Klingelzug noch einen Klopfer. Das Türholz war nahezu schwarz verfärbt und wirkte abweisend. Als sie mit dem Fingerknöchel dagegen schlug gab es einen dumpfen, kaum hörbaren Laut. Marielle klappte den Schirm zu und hämmerte mit dem Griff eifrig auf das Holz ein.
    »Ihr müsst ins Warme«, sagte Marielle und eingedenk der Gewichtigkeit, die sie ihrer Stellung zuschrieb, schlug sie umso heftiger auf die Tür ein.
    Quietschend öffnete sie sich, und der Schirmgriff traf auf Bertrands breite Brust. Marielle senkte den Schirm und musterte den schwarz gekleideten Lakaien, der sich in all seiner Großspurigkeit vor ihnen aufbaute und sie beide von oben herab musterte.
    »Besuch wird nicht erwartet und ist auch nicht erwünscht. Erst recht nicht, wenn Ihr es seid.«
    Marielle legte die Hand trichterförmig hinter ihr Ohr, als sei ihr durch das eigene Klopfen das Gehör abhanden gekommen. Florine mahnte sich zur Ruhe. Für ein Wortgefecht mit Bertrand fehlte ihr die Kraft. Garantiert würde sie diesmal den Kürzeren ziehen.
    »Wir haben eine lange Reise hinter uns, Bertrand. Sie war ermüdend und anstrengend. Also, sei so gut …«, hob sie in aller erforderlichen Höflichkeit an.
    »Niemand hat Euch hergebeten, und so müsst Ihr wohl unverrichteter Dinge die Rückreise antreten.«
    »Hä?«, machte Marielle.
    »Melde mich deinem Herrn, Bertrand.«
    »Mein Herr will mit Euch nichts zu tun haben, und es wird ihm auch nicht gefallen, wenn Ihr vor seinem Haus herumlungert. Wir haben zwar keine Bordeauxdoggen, aber ich schätze, gegen Euch reicht ein Besen aus.«
    In Marielle kam Bewegung, und sie erfolgte mit der Geschwindigkeit, die Pariser Gossenkinder von klein auf erlernten. Kurzerhand trieb sie Bertrand die Schirmspitze in den Rist seines Fußes.
    »Aus dem Weg, Canaille! Dir steht es nicht zu, meine Herrin durch Frechheiten zu kompromittieren. Wo sind wir denn, wenn ein Lakai das Maul soweit aufreißt, dass ich mir das Flattern seines Gaumenzapfens antun muss?«
    Überrumpelt von der Angriffslust einer Pariser Zofe gab Bertrand die Tür frei. Die Schirmspitze hatte so gut getroffen, dass er humpelte. Sie traten in eine lang gezogene Halle. Die Wände waren schmucklos und saugten das wenige an vorhandenem Tageslicht auf. Vor der Kälte schützten Kaminfeuer, deren Wärme bis in die Halle zog und den Winter ausschloss.
    »Wie ihr wollt«, bellte Bertrand aufgebracht. »Die Treppe hinauf, nach rechts und den nächsten Gang links. Letztes Zimmer am Ende. Dort werdet Ihr ihn finden.«
    Die jähe Auskunftsfreude trug ihm eine Kopfnuss ein. Marielle musste sich recken, um sie ihm zu verabreichen, doch ihr Schlag war dadurch nicht weniger hart. Bertrand drückte die Hand auf die schmerzende Stelle.
    »Au! Was habe ich jetzt schon wieder gesagt?«
    »Das war für deinen despektierlichen Tonfall!«
    »Das solche Ausdrücke einem Gossengewächs überhaupt geläufig sind …«
    »Ich bin kein Gossengewächs, sondern Zofe, du jämmerlicher Prahlhans.«
    Der Zank setzte sich fort und lockte die anderen Mitglieder des Rudels aus dem hinteren Teil des Hauses. Mit ihnen füllte der Duft von Glühwein die Halle. Florine achtete auf niemanden. Sie nahm die Treppe, und mit jeder Stufe wurde ihre Müdigkeit weniger. Cassian war hier, wenige Schritte trennten sie voneinander. Seine unmittelbare Nähe wirkte wie ein Magnet. Das Band zwischen ihnen mochte sich gelockert haben, geschwunden war es nicht. Es war ein Ziehen in ihrem Herzen, ein Wirbel aus Aufregung und Ungeduld in ihrem Magen. Je näher sie dem Zimmer kam, desto schneller wurde sie. Ohne sich durch ein Klopfen anzukündigen, stürmte sie hinein.
    Die Szenerie, obgleich nicht ganz so eindeutig, hatte sie schon einmal vor Augen gehabt. Zwar wusste sie nicht, was sie erwartet hatte, doch gewiss war es nicht Cassian und seine dunkle Mätresse in eng umschlingender Umarmung. In einem Liebesnest aus Decken und Kissen vereinten sich ihre nackten Glieder in einem anziehenden Kontrast aus heller und dunkler Haut. Sie lagen reglos, schienen geschlafen zu haben und hoben gleichzeitig die Köpfe. Zwei Augenpaare richteten sich auf Florine, das eine dunkel, das andere hell, einzig die Abwehr darin war ihnen gemeinsam. Stumm starrte Florine zurück. In ihr kam alles zum Erliegen. Sie hatte nicht das Gefühl, überhaupt noch zu existieren und wusste auch nicht, wie lange sie dastand. Es blieb ausreichend Zeit, das Tableau auf dem Bett hinter ihre Stirn zu
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