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So zärtlich war das Ruhrgebiet

So zärtlich war das Ruhrgebiet

Titel: So zärtlich war das Ruhrgebiet
Autoren: Laabs Kowalski
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waren eklig, wenn sie so etwas kauften,
soviel stand fest.
             Peter sagte, er hätte seine Mutter schon einmal
nackig gesehen, als er ins Schlafzimmer kam, und er hätte ganz schnell die
Augen geschlossen, aber zu spät. Ich hatte meine Eltern noch nie nackig
gesehen, nur einmal Papas Penis, als ich in der Badewanne saß und er ganz
dringend pinkeln musste. Papa hatte Haare um den Penis herum.
             Peter und ich stellten uns unsere Lehrer nackt
vor.
             „Herr Amberger!“, sagte ich, und Peter schrie:
„Iiiieh!“
             „Frau Trennwand!“, sagte Peter, und wir beide
hielten uns vor Lachen den Bauch. Frau Trennwand sah schon angezogen ziemlich
komisch aus.
     
    Die Eltern von Michael Hartwig waren reich. Sie besaßen
sogar einen Farbfernseher in Kugelform, der auf einer Fußsäule stand. Michaels
Vater gehörte eine Werkzeugfabrik, und er fuhr einen großen, ganz neuen
Mercedes. Im Wintergarten hatte Michael ein zweites Kinderzimmer. Dort stand
ein riesiger Tisch, auf dem eine ganze Stadt aus Lego aufgebaut war, mit
Straßen, Hochhäusern und Autos. Noch nie hatte ich eine solche Menge Legosteine
gesehen. Unglaublich, dass sie alle Michael alleine gehörten. Er hatte auch
ganz viele Steine, die ich zu Hause nicht besaß, sogar extra Steine für Dächer,
die auf der einen Seite eine Schräge hatten. Bevor ich ging, steckte ich mir
einige heimlich in die Hosentasche.
             Michael besaß auch einen Plattenspieler und
viele komische Schallplatten von seinem älteren Bruder. Von den Interpreten und
Gruppen hatte ich noch nie was gehört: Ulrich Roski, Insterburg & Co.,
Schobert & Black, Ash Ra Tempel und ein Cowboy namens Johnny Cash.
             Cash – das heiße Bargeld, sagte Michael, was ich
nicht glauben wollte. Wer würde denn schon Johnny Bargeld heißen?
    Zu Hause hatten wir auch Platten,
aber die waren von Peter Alexander, Vicki Leandros und von Mireille Mathieu. Straßburg
lag im Sonnenschein, und ich war mit dir allein – Martin!
     
    Mein Bruder Martin hatte einen riesigen Kopf und lief
ständig nur in Strumpfhosen rum, auch wenn er raus zum Spielen ging. Oder hatte
Lederhosen an. Lederhosen waren das Letzte, da war ich mir mit Michael Hartwig
und Peter Hartung einig.
             Michael trug auch im Sommer lange Hosen,
meistens aus Cord. Mir wäre das viel zu warm gewesen.
     
    Unser nächster Wellensittich hieß wieder Helmut. Papa
sagte, wenn wir weiter so viele Wellensittiche verschleißen würden, sei es
künftig einfacher, die Viecher einfach durchzunummerieren, anstatt ihnen Namen
zu geben, bei uns lohne das eh nicht. 
     
    Am Scharfen Eck, auf der Brambauer Straße, wo der
Coop-Laden war, wurde gebaut. Und vor dem Schreibwarenladen von Rabenschlags
stand neuerdings ein Filmautomat. Wenn man fünfzig Pfennig in den Münzschlitz
warf, konnte man durch eine kleine Öffnung, an die man seine Augen halten
musste, Trickfilme von Bugs Bunny, Schweinchen Dick oder Tweety und Silvester
sehen. Neben Rabenschlag war ein Radiogeschäft. Dort hing eine Plattenhülle im
Fenster, von einer Band, die The Who hieß. Peter Hartung und ich fanden, dass
das ein ziemlich bescheuerter Bandname war. Da wusste man ja gar nicht, wer die
eigentlich waren. Wenn wir mal eine Band gründen würden, dann hieße die auf
jeden Fall anders: Echt-Knorke-Band zum Beispiel, damit die Käufer gleich
wüssten, sie hielten keinen Mist in der Hand.
     
    „Scheiße! Wir haben Manni vergessen!“, sagte Onkel
Catcher, als er die Karten zusammenschob. „Der läuft doch bestimmt schon Amok
in seinem Loch.“
             Es wurde bereits dunkel, und die Kellnerin war
gekommen, um zu kassieren. Wir standen auf und liefen los, um nach Onkel Manfred
zu schauen. Begonnen aber hatte dieser Sonntag wie andere Sonntage auch.
             Oft traf sich Papa sonntagmorgens zum
Kartenspielen mit seinen Brüdern im „Nordlicht“. Manchmal nahm er mich mit. Bei
schönem Wetter entschlossen sich Papa und seine Brüder häufig, in den nahe
gelegenen Fredenbaumpark zu gehen. Dort mieteten sie Ruderboote oder spielten
Minigolf. Das Rudern auf dem kleinen künstlichen See war immer sehr lustig und
laut. Es wurde um die Wette gerudert oder andere Boote angegriffen. Die Leute
in den fremden Booten schimpften dann immer, wenn sie von uns nassgespritzt
wurden. Einmal, als Papa aus dem Boot ans Ufer springen wollte, driftete es
überraschend zurück, und Papa hing
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