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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock
Autoren: Melda Akbas
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sie kein Problem, sich mit Jungs einzulassen. In meinen Augen ist das unaufrichtig. Wenn ich mich für das eine entscheide, sollte ich das andere lassen. Sonst sieht es aus, als trage man das Kopftuch nur, damit man unschuldiger wirkt, als man ist. Mittlerweile ist Lütfiye verheiratet, und wir haben nur noch selten Kontakt.
    Ich kann nicht in die Köpfe von Anne und Baba hineinschauen, aber wenn ich daran denke, was sie im Urlaub manchmal über Onkel Sabahattin und seine Frau sagten, bezweifle ich, dass sie dicke Freunde sind. Das klingt jetzt hart, ist aber gar nicht so gemeint. Ich weiß, dass Baba seinen Bruder liebt und auch Anne die Familie, jeden Einzelnen, in ihr Herz geschlossen hat. Und wenn die Ferien zu Ende waren und wir uns verabschieden mussten, weinten auch alle. Doch eine richtig enge Verbindung mit großer Vertrautheit, wie sie zu Onkel Cemal und Tante Hediye besteht, scheinen sie mit ihnen nicht zu haben. Das ist auch schwer machbar. Onkel Sabahattins Familie und unsere führen zwei unterschiedliche Leben, in zwei sehr verschiedenen Welten, sie sehen sich alle zwei Jahre mal, das kann man auch durch regelmäßige Telefonate nicht einfach ausgleichen. Wo es doch schon schwierig ist, selbst mit dem Teil von Babas Familie, der in Berlin lebt, in Kontakt zu bleiben, einfach, weil wir uns in eine andere Richtung entwickelt haben als sie.
    Der erste Morgen in Istanbul erschien mir jedes Mal ein bisschen unwirklich. Ich wachte auf, meistens von der
Sonne geblendet, und brauchte erst mal ein paar Minuten, bis ich realisierte, wo ich war. Wie ich sagte: eine andere Welt. Dazu immer diese zweigeteilten Gedanken, die zweigeteilten Gefühle, die waren typisch für die Urlaube. Ich war eine Türkin in der Türkei. Auf den Märkten, in den Geschäften, in den Museen, am Strand oder wo wir sonst noch waren. Dabei war ich gar keine richtige Türkin, fühlte mich zu sehr als Deutsche, als dass ich die Türkei als meine Türkei oder mein Land hätte bezeichnen können.
    Als ich vorhin darüber nachdachte, ob ich mir vorstellen könnte, in Istanbul zu leben, musste ich sofort an Zehra denken. Zehra ist eine Freundin von mir. Sie ist sechzehn oder siebzehn Jahre, so genau weiß ich das nicht mal bei ihr, weil ich mir keine Geburtstage merken kann. Offenbar habe ich das von meinen Vorfahren geerbt, die es mit Geburtstagen auch nicht so genau nahmen. Ich kenne Zehra aus Berlin, im Grunde fast seit ihrer Geburt. Ihre Mutter und meine sind seit einer Ewigkeit befreundet, und wenn sie sich trafen, waren wir als Kinder meistens dabei. Aber solange Zehra mit ihrer Familie in Berlin lebte, zählte ich sie eher zu meinen Bekannten. Mit Freundschaft war da noch nichts.
    Erst als Zehras Eltern beschlossen, ihr Leben in Deutschland aufzugeben und in die Türkei zurückzukehren, merkten wir, dass wir uns viel näherstanden, als wir selbst bis dahin wussten. Auf einmal war da eine Verbindung zwischen uns. Wir fingen an, stundenlang miteinander zu reden, so viel hatten wir uns zu erzählen. Es kam uns vor, als wären uns viele Jahre als Freundinnen durch die Lappen gegangen. Ganz seltsam. Ich wollte für sie da sein, ihr irgendwie helfen. Denn ihre Eltern sagten zwar, sie würden
in die Türkei ziehen, damit sie mehr Zeit für sie und für ein gemeinsames Familienleben hätten. Sie fragten ihre Tochter aber nie, was sie von dem Vorhaben hielt. Zehra fühlte sich wohl in Berlin, sie hatte ihre Freundinnen hier, sogar einen Freund, sie wollte nichts weniger, als irgendwoanders hinziehen. Ich an ihrer Stelle wäre gegen meine Eltern auf die Barrikaden gegangen oder von zu Hause ausgerissen, hätte protestiert oder sonst was angestellt, nur mitgegangen wäre ich nicht. Doch so war Zehra nicht. Sie wollte ihre Eltern nicht enttäuschen und litt nur still vor sich hin.
    Inzwischen ist es drei Jahre her, dass Zehra mit ihren Eltern nach Istanbul zog. Doch wir halten immer noch Kontakt. Die Distanz kann uns nichts anhaben. Anfangs chatteten wir fast jeden Tag, jetzt sprechen wir mindestens einmal die Woche übers Internet miteinander. Es passiert nicht selten, dass wir dann vier oder fünf Stunden am Stück in der Leitung hängen. Wir reden über alles, was uns bewegt. Manchmal sind wir unterschiedlicher Meinung, dann streiten wir auch. Genau, wie ich das mit meinen Freundinnen in Berlin machen würde. Dadurch, dass wir uns so nahestehen, funktioniert das. Es ist eben etwas ganz anderes als mit Onkel Sabahattins Familie. Mit Zehra verbindet
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