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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition)
Autoren: Clara Salaman
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am Strand spazieren, weil gerade Vollmond war – Johnnys Mutter begründete ihre Unternehmungen ständig mit irgendwelchen Hippie-Argumenten. Auf dem Rückweg zum Haus meinte Clemmie, sie wolle noch eine Runde im Meer schwimmen, und Johnny ertappte sich dabei, dass er hinter den anderen hertrödelte. »Die See ist ziemlich rau, ich behalte sie lieber mal im Auge«, sagte er zu niemand Bestimmtem. Auch als sie meinte, sie brauche keinen Aufpasser, immerhin sei sie schon fast zwölf und groß genug, um allein schwimmen zu gehen, setzte er sich in den Sand, während die anderen weitergingen.
    »Ich werd dann mal eine rauchen«, erklärte er.
    Sie zuckte lediglich mit den Schultern. »Das ist ein freies Land.«
    Verdutzt sah er zu, mit welcher Unbekümmertheit sie sich das Kleid über den Kopf zog und ihr Höschen abstreifte, ohne ihn anzusehen. Sie rannte los und quiekte laut, als die Wellen über ihr zusammenschlugen.
    »Komm rein!«, schrie sie.
    Es fühlte sich toll an – diese Einladung, sich ebenfalls in die kalte, nasse Welt zu stürzen, wo das Leben tobte. Johnny setzte grundsätzlich keinen Fuß in die eisigen Gewässer Englands, sondern bewegte sich ausschließlich auf ihnen, aber das würde er ihr nicht verraten. Er rühmte sich, niemals nass zu werden, selbst wenn das Beiboot ausnahmsweise kenterte. Dann trat er nämlich auf das Kielschwert, sodass sich der Rumpf zwischen seinen Füßen befand, und richtete es wieder auf, ohne dass dabei auch nur seine Zehen nass wurden. »Angsthase!«, rief sie und stürzte sich in die nächste Welle, wobei ihr blankes Hinterteil im fahlen Mondlicht schimmerte.
    »Komm rein, Johnny!«
    Sie winkte ihm zu, nass und glitschig. Er konnte ihre hübschen kleinen Brüste erkennen und hatte zum ersten Mal das Gefühl, am falschen Ort zu sein – hier, im trockenen Sand, obwohl es im Wasser, wo sie war, viel schöner zu sein schien.
    »Hilfe!«, kreischte sie und tat so, als würde sie ertrinken. »Haie!« Sie tauchte unter, streckte die Beine in die Luft und marschierte auf den Händen durch den Sand.
    Zu seiner eigenen Verwunderung sprang er auf, zog seine Sachen aus und rannte los. »Der Retter naht! Hab keine Angst!«, schrie er und stürzte sich ins kalte Wasser. »O Scheiße!«, stöhnte er auf, als die eisigen Fluten seine Hoden umspülten und er den heftigen Sog der Strömung spürte.
    Clemmie paddelte scheinbar ertrinkend auf ihn zu. Er packte sie bei der Hand, zog sie mit einer schwungvollen Bewegung aus dem Wasser und hob sie heldengleich auf seine Arme.
    »Ich hab dich! Du bist in Sicherheit! Okay, wo ist dieser gemeine Hai?« Er spannte seinen Bizeps an.
    Sie stieß ein kehliges Lachen aus – ihr Lachen war ihm bereits vorher aufgefallen –, schlang ihre Beine um seine Taille und klammerte sich an ihm fest. Er spürte ihren nackten Unterleib an seinem Bauch. Ihre Brustwarzen streiften seine Brust. Trotz der eisigen Kälte wurde sein Schwanz hart.
    Sie sah ihm ins Gesicht. Nur wenige Zentimeter trennten sie voneinander, und ihr Gelächter war erstorben. Ernst blickten sie einander in die im Mondschein leuchtenden Augen. Ein eigentümliches Gefühl überkam Johnny. Eine tiefe Wärme durchströmte seinen gesamten Körper, und ihm war, als würde eine Lücke, die ihm bislang nie aufgefallen war, plötzlich geschlossen werden. Mit unerschütterlicher Klarheit wurde ihm bewusst, dass er die gesamten vierzehn Jahre seines bisherigen Lebens auf diesen Moment gewartet hatte. Genau das war es; das, worum es im Leben wirklich ging.
    Er hätte sie küssen können, doch sie löste sich von ihm und ließ sich von der Strömung erfassen.
    Auch sie hatte es gespürt. Sie schwamm auf dem Rücken, ergab sich den Fluten, angenehm überrascht von dem, was gerade vorgefallen war, von dieser neuen Empfindung in ihrem Körper, so feucht und prickelnd. Sie fühlte sich lebendig. Etwas hatte sich in ihr verändert, hatte die Kindlichkeit ein Stück weit in den Hintergrund treten lassen. Sie ließ sich von den Wellen umspülen, die sie in Richtung Strand trieben. Mit einem Mal war sie sich ihrer Nacktheit überdeutlich bewusst. Sie sprang aus dem Wasser und lief durch die Brandung zum Strand zurück.
    Wenig später saßen sie nebeneinander und blickten wortlos aufs Meer hinaus, tropfnass und durch eine neu gewonnene Intimität miteinander verbunden. Sie trug seinen Pulli, der formlos an ihrem zierlichen Körper herabhing. Sie zog die Knie an und legte ihr Kinn darauf, um sich zu wärmen,
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