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So schwer, sich leicht zu fuehlen

So schwer, sich leicht zu fuehlen

Titel: So schwer, sich leicht zu fuehlen
Autoren: Deborah Rosenkranz
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bist.
    Auch heute noch bekomme ich manchmal negative Dinge über mein Aussehen und mein Gewicht zu hören. Ja, ich könnte zulassen, dass mich das wieder komplett aus der Bahn wirft, und jede Ex-Essgestörte ist sehr anfällig für so etwas. Ja, ich könnte sofort wieder loslegen und magersüchtig werden. Die Energie und den Willen dafür habe ich noch in mir.
    Aber ich habe mich verändert! Ich habe beschlossen, niemanden mehr über mich bestimmen zu lassen. Ich weiß, dass ich mich in einem ausgemergelten, ausgehungerten Körper nicht zu Hause fühle. Ich möchte nicht wieder so fremdbestimmt sein und einfach nur hoffen, dass ich auch diesen Tag ohne zu essen überstehen werde. Ich möchte nicht mehr verzweifeln, wenn die Waage 200 Gramm mehr zeigt. Ich möchte nicht mehr andere mit meinen Stimmungsschwankungen nerven. Ich möchte nicht mehr jemand anders als ich selbst sein, um anderen zu gefallen!
    Ich habe auch gelernt, dass ich nicht allein in diesem Kampf stehe. Erst vor ein paar Tagen hat mich wieder ein Satz so getroffen, dass wieder alte Gedanken in mir aufkamen. Und es geht ganz schnell, dass jemand mit meiner Vergangenheit denkt: „Ich zeig’s denen; dann nehme ich halt wieder richtig krass ab!“
    Doch diesmal habe ich mich gleich damit an meine Mutter gewandt. Es hat mir sehr gut getan, mit ihr zu sprechen und von ihr zu hören, dass ich ein toller, geliebter Mensch bin! Es ist unheimlich wichtig, dass man Menschen um sich hat, die einen in solchen Momenten durchtragen. Dazu müssen sie aber genau Bescheid wissen, was mit einem los ist und wann man Hilfe braucht.
    Gerade auch in den kritischen Zeiten, in denen ich versucht war, wieder mal auf Toilette zu rennen, um zu erbrechen, war es für mich wirklich lebenswichtig, mich genau in diesem Moment jemandem anvertrauen zu können, da es schwierig ist, allein die Kraft dazu aufzubringen.
    Der Hauptunterschied zu damals ist aber ganz klar: Ich weiß, wer ich bin! Ich bin weder fett noch dürr. Ich bin gut so, wie ich bin. Wenn ich mal etwas mehr auf den Rippen habe, dann ist das halt so, weil es mir super gut geht und ich das Leben genieße! Das ist normal, und so war es schon immer.
    Auch eine etwas üppigere Frau kann wunderschön sein. Jede Frau, egal welche Größe sie trägt, kann sich schön kleiden und etwas aus sich machen. Und das gilt genauso für Männer!
    Ich habe meinen Weg gefunden: Ich esse sehr gern und genieße es, so richtig zu schlemmen. Als Ausgleich mache ich dann halt mehr Sport, und alles ist in Ordnung.
    Was mich lange wirklich krank gemacht hat, war der ständige Vergleich mit anderen Menschen. Da war einerseits die Frage: „Esse ich wirklich weniger als alle anderen? Bin ich schlanker als Die-und-die?“
    Ich wurde ganz nervös, wenn ich mitbekam, dass ein anderes Mädchen abgenommen hatte. Dann wurde ich sofort eifersüchtig und befürchtete, sie könnte meine Konkurrentin werden. Was, wenn plötzlich alle abnahmen? Dann würde ich ja gar nicht mehr auffallen! Ich war ja lange eine Außenseiterin gewesen und hatte das Gefühl, nur über das Abmagern Aufmerksamkeit bekommen zu können. Und irgendwie ist mein Plan ja auch aufgegangen. Nur nicht so, wie ich eigentlich wollte.
    Klar, alle machten sich Sorgen um mich, kümmerten sich um mich und beobachteten mich. Doch eigentlich wollte ich ja anerkannt und geliebt und als attraktive Frau betrachtet werden, nicht als bemitleidenswerte, kranke Jammergestalt.
    Gefangen von meinen krankhaften Gedanken sah ich auch diesen Punkt lange Zeit nicht. Besser diese Art von Aufmerksamkeit als überhaupt keine. Aber ist es das wert? Sich wirklich jede Sekunde Gedanken über das Essen oder Nichtessen zu machen? Es so weit kommen zu lassen, dass diese Stimme in deinem Kopf, die dir ständig sagt, du wärst zu dick, die Macht bekommt, dich buchstäblich umzubringen? Ich habe mal eine Fernsehsendung gesehen, die magersüchtige Mädchen zeigte, die sich aus dem Fenster stürzen wollten, weil die Stimme es ihnen so befahl.
    So weit darf es kein Mensch auf Erden kommen lassen! Wenn ich heute magersüchtige Mädchen sehe, dann tun sie mir unendlich leid. Es ist schon fast so, dass ich sie wachrütteln möchte, bis sie zur Vernunft kommen. Am liebsten würde ich ihnen ins Gesicht schreien: „Schau mich an! Vielleicht denkst du: Die hat auch ein paar Kilos zu viel
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