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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund
Autoren: Konrad Lorenz
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soll sie mich doch wieder und wieder auf meinen Schwimmtouren
     begleiten. Aber ich muß sie für ihre erste Donau-Überquerung nach Möglichkeit belohnen. Ich kann dies nicht wirkungsvoller
     tun, als daß ich mit ihr einen langen |127| Spaziergang durch die jungfräuliche Wildnis der Auwälder unternehme.
    Wir wandern zunächst längs des Stromes aufwärts, dann folgen wir dem Verlaufe eines Seitenarmes, der in seinen unteren Abschnitten
     ruhiges, tiefes und klares Wasser hat, stromaufwärts aber in einer Kette immer seichter werdender und spärlicher aufeinanderfolgender
     Tümpel zerfällt.
    Merkwürdig tropisch wirkt ein solcher Donauarm: Die nicht regulierten Ufer brechen steil, fast lotrecht ab, bestanden von
     einem typischen »Galeriewald« aus hohen Weiden, Pappeln und Eichen, zwischen denen üppig wuchernde Waldreben die Lianen markieren,
     Eisvogel und Pirol, Charaktervögel eben dieser Landschaft, sind beide Vertreter von Vogelgruppen, deren weitaus meiste Mitglieder
     Tropenbewohner sind, im Wasser wuchert Sumpfvegetation. Tropisch ist auch die feuchte Hitze, die über dieser wundervollen
     Landschaft lagert und die nur von einem nackten Menschen mit Würde ertragen werden kann, und schließlich sei nicht verschwiegen,
     daß Stechmücken, Malariamücken und eine Unzahl Bremsen dazu beitragen, den tropischen Eindruck auch nach der unerfreulichen
     Seite zu verstärken.
    In den breiten Schlammstreifen, welche den Donauarm beiderseits umfassen, dauern bis zum nächsten Hochwasser, wie in Gips
     gegossen, die Spuren verschiedenster Aubewohner. Wer hat behauptet, es gäbe hier keine Hirsche mehr? Den Spuren nach zu urteilen,
     leben in diesen Wäldern noch viele starke Hirsche, wenn man sie auch zur Brunftzeit nicht mehr hört, so heimlich sind sie
     nach den Gefahren und Beunruhigungen des letzten Krieges geworden, der am Ende gerade hier schlimm gehaust hat. Reh und Fuchs,
     Bisamratte und kleinere Nager, unzählige Flußuferläufer, Flußregenpfeifer und Bruchwasserläufer haben den Schlamm mit den
     verschlungenen Ketten ihrer Fährten verziert. Und wenn schon meinem
Auge
diese Spuren die interessantesten Geschichten erzählen, wieviel mehr erst der
Nase
meiner kleinen Hündin! Sie schwelgt in Geruchsorgien, von denen wir armen Nasenlosen uns überhaupt keine Vorstellungen machen
     können. |128| Die Spuren der Hirsche und der Rehe kümmern sie gar nicht, denn Susi ist keine leidenschaftliche Jägerin größeren Wildes,
     wohl deshalb, weil sie von ihrer Passion für die Mäusejagd so völlig besessen ist.
    Aber die Spuren der Bisamratten sind etwas anderes. Aufgeregt schleichend, die Nase gesenkt, den Schwanz schräg nach hinten
     und nach oben gestreckt, folgt sie ihnen, bis sie den Eingang zu einem Bau gefunden hat, der wegen des ungewöhnlich niedrigen
     Wasserstandes oberhalb, nicht wie sonst unterhalb, der Wasserlinie liegt. Susi steckt den Kopf in die Röhre, so tief sie kann,
     und saugt gierig den offenbar berückenden Duft des Wildes ein. Sie unternimmt sogar den hoffnungslosen Versuch, den Bau aufzugraben;
     ich lasse sie gewähren, denn ich liege flach auf dem Bauch im handhohen, lauen Wasser, die Sonne brennt auf meinen Rücken,
     ich habe keine Eile, weiterzugehen. Schließlich wendet mir Susi ihr erdverkrustetes Gesichtchen zu, wedelt, kommt hechelnd
     her, seufzt tief auf und legt sich neben mich ins Wasser.
    So liegen wir fast eine Stunde, dann steht Susi auf und bittet mich, weiterzugehen.
    Wir folgen dem immer trockener werdenden Laufe des Armes stromaufwärts, und da, als wir eben um eine Krümmung biegen und der
     Blick auf einen neuen Tümpel frei wird, hat Susi ein großes Erlebnis: Am Tümpel sitzt, noch ahnungslos, weil der Wind zu uns
     her weht, eine riesige Bisamratte, das Ideal von Susis kühnsten Träumen, eine Abgottmaus, eine Maus von ungeahnten Ausmaßen!
     Susi erstarrt, ich ebenfalls. Dann beginnt sie, langsam wie ein Chamäleon Fuß vor Fuß setzend, auf die Wundermaus zuzuschleichen.
     Sie kommt erstaunlich weit, fast die halbe Strecke, die uns von der Bisamratte trennt. Es ist ungemein spannend, da die ernste
     Hoffnung besteht, daß die Ratte, aufgeschreckt, in den Tümpel springen wird, der tief im kiesigen Boden des Flußbettes eingesenkt
     ist und keinen Ausgang hat. Der Bau liegt sicherlich auch hier mehrere Meter vom Wasser weg, in der Ebene eines normalen Wasserstandes.
    |129| Aber ich hatte die Intelligenz des großen Nagers unterschätzt. Der sieht
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