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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot
Autoren: Peter James
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Taschentüchern zu fühlen. Seinen männlichen Geruch einzuatmen. Es war ungemein befriedigend, seine wunderschönen Hemden zu bügeln und ihn darin zu erleben. Dann kam es ihr vor, als trüge er einen Teil ihrer selbst.
    Inzwischen war es eine lästige Pflicht geworden, und sie nahm Ronnie seine Gemeinheiten übel.
    Sie kehrte zu dem Artikel über Hormonersatztherapie zurück, den sie gerade las. Es ging um die Debatte, ob die Minderung von Wechseljahresbeschwerden – und der Erhalt des jugendlichen Aussehens – das Risiko, an Brustkrebs und anderen scheußlichen Dingen zu erkranken, überwog. Eine Wespe summte um ihren Kopf, und sie verjagte sie mit einer Handbewegung. Dabei fiel ihr Blick auf ihre Brust. In zwei Jahren würde sie vierzig, ihr Körper zollte allmählich der Schwerkraft Tribut. Bis auf die teuren Brüste.
    Lorraine war keine makellose, hinreißende Schönheit, war aber, um es mit Ronnie zu sagen, immer ein Hingucker gewesen. Die blonden Haare hatte sie von ihrer norwegischen Großmutter geerbt. Vor Jahren hatte sie, wie Millionen anderer Blondinen in aller Welt, die Frisur von Lady Diana kopiert und war mehr als einmal mit der Princess of Wales verwechselt worden.
    Nun muss ich mich aber bald um den Rest meines Körpers kümmern, dachte sie düster.
    Wenn sie im Liegestuhl lag, erinnerte ihr Bauch an den Beutel eines Kängurus. Er sah aus wie der Bauch einer Frau, die mehrere Kinder geboren hat, deren Haut und Muskeln ständig überdehnt worden waren. Hinzu kamen die Cellulitis-Dellen an den Oberschenkeln.
    Diese ganzen Katastrophen suchten ihren Körper heim, obwohl sie (zu Ronnies Leidwesen) dreimal wöchentlich ihren persönlichen Fitnesstrainer aufsuchte.
    Die Wespe kehrte zurück und summte wieder um ihren Kopf. »Verpiss dich.« Lorraine schlug mit der Hand nach dem Tier. »Hau ab.«
    Da klingelte das schnurlose Telefon. Sie hörte die ungewöhnlich aufgeregte Stimme ihrer Schwester Mo, die sonst meist ruhig und fröhlich klang. »Hast du den Fernseher an?«
    »Nein, ich bin im Garten.«
    »Ronnie ist doch in New York, oder?«
    »Klar, ich habe gerade mit ihm gesprochen. Wieso?«
    »Es ist etwas Furchtbares passiert. Es kommt in allen Nachrichten. Ein Flugzeug ist ins World Trade Center geflogen.«
    8
    OKTOBER 2007 Der Regen wurde stärker. Es klang, als prasselten Hagelkörner auf das stählerne Dach des Fahrzeugs der Spurensicherung. Die Fensterscheiben waren getönt, um neugierige Blicke zu verhindern. Draußen war es fast dunkel, nur der rötliche Schimmer von zehntausend Straßenlaternen erhellte die nasse Düsternis.
    Obwohl der Ford Transit eine Sonderanfertigung mit langem Radstand war, saß man drinnen dicht gedrängt. Roy Grace, der die Besprechung leitete, beendete ein Telefonat und holte das Protokollheft aus der Einsatztasche.
    Neben ihm und Glenn Branson saßen der Leiter der Spurensicherung, einer vom Erkennungsdienst der Polizei und einer der beiden Officer, die den Fundort abgesichert hatten. Dabei war noch Joan Major, eine forensische Archäologin, die von der Sussex Police häufig hinzugezogen wurde, um Skelette zu identifizieren oder herauszufinden, ob einzelne Knochen, die gelegentlich auf Baustellen, in Wäldern oder Gärten gefunden wurden, von Menschen oder Tieren stammten.
    Im Wagen war es kalt und feucht, und es roch stark nach chemischen Dämpfen. In den Metallregalen lagerten Rollen mit Absperrband, Leichensäcke, Zeltplanen und Bodenabdeckungen, Seile, Kabel, Hämmer, Sägen, Äxte und Plastikflaschen mit Chemikalien. Für Grace hatten diese Fahrzeuge immer etwas Grausames. Sie sahen aus wie Wohnwagen, fuhren aber nie auf Zeltplätze, sondern nur an Orte, an denen jemand zu Tode gekommen war.
    Es war halb sieben.
    »Nadiuska steht nicht zur Verfügung«, teilte er dem Team mit.
    »Heißt das, wir bekommen Frazer?«, fragte Glenn verdrossen.
    »Ja.«
    Alle machten lange Gesichter. Nadiuska De Sancha war die Rechtsmedizinerin des Innenministeriums, mit der die Kripo Sussex am liebsten zusammenarbeitete. Sie war schnell, interessant und witzig und sah überdies gut aus. Frazer Theobald hingegen war langsam und mürrisch, arbeitete aber absolut präzise.
    »Das eigentliche Problem besteht allerdings darin, dass Frazer noch bei einer Autopsie in Esher ist. Vor neun kann er nicht hier sein.«
    Sein Blick kreuzte den von Glenn. Beide wussten, was das bedeutete – sie mussten eine Nachtschicht einlegen.
    Grace schrieb auf die erste Seite des Protokolls: VORBESPRECHUNG
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