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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot
Autoren: Peter James
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und Stelle. Der Zustand könnte auf die Todesursache hindeuten. Bei einer Erdrosselung wird häufig das Zungenbein gebrochen.«
    Grace ließ diese Information sacken, betrachtete den Knochen und dann wieder die perfekten Zähne. Er versuchte, sich an die letzte Untersuchung eines Skeletts zu erinnern, der er beigewohnt hatte. Es musste mehrere Jahre her sein.
    »Was ist mit dem Alter?«
    »Morgen kann ich Ihnen mehr dazu sagen. Auf den ersten Blick würde ich schätzen, eine Frau in den besten Jahren, zwischen fünfundzwanzig und vierzig.«
    Sandy war achtundzwanzig gewesen, als sie verschwand. Er starrte auf den Schädel, die Zähne. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Ned Morgan den Strahl seiner Taschenlampe in beide Richtungen lenkte.
    »Wir sollten noch einen Fachmann vom Bauamt dazuholen, Roy«, schlug er vor. »Jemanden, der sich mit dem städtischen Abwassersystem auskennt. Wir müssen herausfinden, welche Kanäle mit diesem hier verbunden sind. Möglicherweise wurden Kleider oder andere Dinge dort hineingespült.«
    »Meinen Sie, der Kanal wird gelegentlich überflutet?«, wollte Grace wissen.
    Morgan leuchtete den Strahl seiner Lampe nachdenklich hin und her. »Nun ja, es regnet ziemlich stark, schon den ganzen Tag. Im Augenblick steht wenig Wasser hier drin, aber denkbar wäre es. Vermutlich wurde der Kanal gebaut, damit die Bahngleise nicht überflutet werden. Allerdings …« Er zögerte.
    »Sieht aus, als läge sie schon einige Jahre hier«, warf Joan ein. »Würde der Kanal regelmäßig geflutet, wäre sie hin und her bewegt worden, und das Skelett wäre vermutlich auseinandergefallen. Es wirkt aber völlig intakt. Auch die vertrocknete Haut weist daraufhin, dass es hier drinnen schon längere Zeit trocken war. Eine gelegentliche Überflutung können wir allerdings nicht ausschließen.«
    Grace betrachtete den Schädel, während die verschiedensten Gefühle in seinem Inneren tobten. Auf einmal wollte er nicht mehr bis zum nächsten Tag warten, das Team sollte jetzt gleich mit der Arbeit beginnen.
    Fast widerwillig wies er den Officer an, den Eingang zu verschließen und die gesamte Baustelle abzusichern.
    9
    OKTOBER 2007 Nicht zu fassen – sie musste auf die Toilette. Abby schaute auf die Uhr. Eine Stunde und zehn Minuten waren vergangen, seit sie in den verfluchten Aufzug gestiegen war. Warum? Warum? Warum war sie nur so verdammt blöd gewesen? Wegen der verdammten Bauarbeiter, darum. Herrgott. Auf der Treppe brauchte sie dreißig Sekunden und hielt sich dabei noch fit. Warum? Warum? Warum?
    Und nun dieser scharfe, unangenehme Druck in der Blase. Bevor sie die Wohnung verlassen hatte, war sie noch auf dem Klo gewesen, doch nun fühlte sie sich, als hätte sie zehn Liter Kaffee und einen Kanister Wasser getrunken.
    Keine Chance, ich werde durchhalten. Ich will doch nicht, dass mich die Feuerwehr in einer Urinlache findet. Auf diese Peinlichkeit kann ich gut verzichten.
    Sie spannte die Muskeln an, drückte die Knie aneinander und wartete zitternd, bis der schlimmste Druck vorbei war. Dann schaute sie nach oben an die Decke, zu dem milchigen Lichtfeld mit dem Gittermuster. Horchte. Horchte auf die Schritte, die sie soeben gehört hatte.
    Oder die sie sich eingebildet hatte …
    Im Film hebelten Leute die Aufzugtür auf oder stiegen durch die Dachluke. Im Film schwankten die Aufzüge auch nicht hin und her.
    Der Drang zu pieseln ging vorbei. Er würde wiederkommen, aber fürs Erste war es in Ordnung. Sie versuchte aufzustehen, doch die Kabine prallte schon wieder gegen die Wand, dass ein schepperndes Echo durch den Aufzugschacht hallte. Sie hielt die Luft an und wartete, bis sich die Kabine beruhigt hatte. Sie betete, das Seil möge halten. Dann kniete sie sich hin, hob ihr Handy vom Boden auf und wählte noch einmal. Der gleiche durchdringende Piepton, kein Empfang.
    Sie versuchte, die Finger in den Schlitz zwischen den Türen zu quetschen, nichts rührte sich. Dann wühlte sie in ihrer Handtasche nach etwas, das sie als Hebel benutzen konnte, fand aber nur eine Nagelfeile aus Metall. Sie schob sie dazwischen, traf aber bald auf etwas Hartes, und die Feile bewegte sich nicht mehr. Sie drückte nach rechts, nach links, die Feile bog sich durch.
    Abby betätigte nacheinander alle Knöpfe und schlug verzweifelt mit der flachen Hand gegen die Wand.
    Einfach toll.
    Wie viel Zeit blieb ihr noch?
    Wieder ein bedrohliches Knirschen von oben. Sie stellte sich vor, wie das Stahlseil allmählich zerfaserte,
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