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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot
Autoren: Peter James
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den ganzen Tunnel abgesucht?«
    »Nein, Sir, wir wollten auf die Spurensicherung warten.«
    »Gut.«
    Er war erleichtert, dass der junge Mann so vernünftig gehandelt und keine noch vorhandenen Spuren zerstört hatte. Dann merkte er, dass seine Hand zitterte, und richtete die Taschenlampe wieder auf den Schädel.
    Auf die Haare.
    Vor neun Jahren war seine geliebte Frau Sandy spurlos verschwunden. Er hatte nie aufgehört, nach ihr zu suchen. Fragte sich Tag und Nacht, was aus ihr geworden sein mochte. War sie entführt und irgendwo eingesperrt worden? War sie mit einem Liebhaber durchgebrannt? Ermordet worden? Hatte sie Selbstmord begangen? War sie überhaupt noch am Leben? Er hatte Medien, Hellseher und so ziemlich alle anderen Esoterikfreaks konsultiert, die er finden konnte.
    Kürzlich war er sogar nach München geflogen, wo sie angeblich gesehen worden war. Es hätte durchaus sein können, da Verwandte ihrer Mutter aus der Gegend stammten. Doch niemand dort hatte von ihr gehört, und wie üblich waren alle Spuren im Sand verlaufen. Wann immer er mit einer unbekannten Toten zu tun hatte, die ungefähr in Sandys Alter war, fragte er sich, ob er sie nun endlich gefunden hatte.
    Das Skelett, begraben in einem Abflusskanal in der Stadt, in der er geboren und aufgewachsen war und in der er sich damals verliebt hatte, schien ihn herauszufordern: Du hast dir ganz schön Zeit gelassen!
    6
    OKTOBER 2007 Abby saß auf dem harten, mit Teppich ausgelegten Boden und starrte auf das kleine Schild neben den Knöpfen an der grauen Wand. Dort stand in großen roten Buchstaben auf weißem Hintergrund:
     
    WENN NOTFALL BITTE 013 228 7828 ODER 999 WÄHLEN
     
    Die Grammatik war nicht gerade vertrauenerweckend. Unter den Knöpfen befand sich eine kleine, gesprungene Glastür. Unendlich langsam kroch sie über den Boden. Die Tür war ganz nah, hätte aber ebenso gut am anderen Ende der Welt sein können, da der Aufzug bei jeder Bewegung wild hin und her ruckte.
    Endlich war sie da. Öffnete die Tür und nahm den Hörer ab, der an einem Spiralkabel befestigt war.
    Kein Rufzeichen.
    Sie hämmerte auf die Gabel, worauf der Aufzug in Bewegung geriet, doch der Hörer blieb stumm. Sie wählte die Nummern, einfach nur so. Nichts.
    Na super, dachte sie. Ganz toll. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und wählte 999.
    Das Telefon piepste durchdringend. Im Display erschien die Meldung:
     
    Kein Empfang.
     
    »Herrgott, tu mir das nicht an.«
    Schwer atmend schaltete sie das Handy aus, wartete und schaltete es wieder ein. Noch immer kein Empfang.
    Abby wählte noch einmal den Notruf, erneut piepte es, erneut erschien die Meldung im Display. Sie versuchte es wieder und wieder und drückte die Tasten jedes Mal fester.
    »Na komm schon, komm schon. Bitte, bitte.«
    Sie starrte auf das Display. Manchmal veränderte sich die Signalstärke. Wenn sie lange genug wartete …
    Dann rief sie, zuerst vorsichtig: »Hallo? Hilfe!«
    Ihre Stimme klang leise und erstickt.
    Sie holte tief Luft und brüllte, so laut sie konnte: »HALLO? BITTE HELFEN SIE MIR! HILFE! ICH STECKE IM AUFZUG FEST!«
    Sie wartete. Stille.
    Die Stille war beinahe hörbar. Eine Lampe summte. Ihr Herz hämmerte. Das Blut schoss durch ihre Adern. Ihr Atem ging stockend.
    Wieder rückten die Wände näher.
    Sie atmete langsam ein und aus. Schaute wieder aufs Display des Handys. Ihre Hand zitterte so sehr, dass sie kaum lesen konnte, was dort stand. Die Zahlen verschwammen ihr vor den Augen. Ruhig einatmen, ausatmen. Sie wählte noch einmal die 999. Nichts. Sie legte das Handy weg und hämmerte gegen die Wand.
    Ein lautes Geräusch ertönte, und der Aufzug geriet in Bewegung. Prallte gegen eine Wand und sackte ein Stück ab.
    »HILFE!«
    Selbst ihr Schrei ließ den Aufzug schwanken. Sie saß wieder ganz still da. Die Kabine kam zum Stehen.
    Trotz ihres Entsetzens überfiel sie ein geradezu rasender Ärger angesichts ihrer misslichen Lage. Sie rutschte ein Stück nach vorn, hämmerte gegen die Metalltüren und brüllte aus voller Kehle, brüllte, bis ihre Ohren weh taten und ihr Hals schmerzte. Sie musste husten, als hätte sie Staub geschluckt.
    »LASST MICH RAUS!«
    Dann spürte sie, wie sich der Aufzug abrupt bewegte, als drückte jemand von oben gegen die Decke. Sie schaute hoch. Hielt die Luft an und horchte.
    Doch sie hörte nur die Stille.
    7
    11. SEPTEMBER 2001 Lorraine Wilson lag oben ohne im Liegestuhl im Garten, um mit den letzten sommerlichen Sonnenstrahlen ihre Bräune zu
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