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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt
Autoren: Johan Theorin
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der Entführung von Leo in Verbindung bringen konnte, musste weg.
    Danach legte sie sich ins Bett und wiederholte im Kopf immer dasselbe Mantra:
    Nichts. Sie wusste nichts. Nichts über das Feuer, nichts von Ivan Rössel, nichts von Jan Hauger und seiner Sehnsucht nach Alice Rami.
    Aber wie würde es jetzt weitergehen?
    Am Samstagmorgen rief Lilian sie an. Die Freundin klang bedrückt, als sie sich meldete. Hanna versuchte, so zu klingen wie immer, und fragte, wie es am Freitagabend gelaufen sei.
    Â»Nichts ist gelaufen«, antwortete Lilian. Ȇberhaupt nichts. Rössel ist nicht in den Besuchsraum gekommen. Es kam überhaupt niemand. Und Jan war plötzlich weg, also sind wir mit dem Bus nach Hause gefahren.«
    Â»Wie schade«, meinte Hanna.
    Sie wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. Am liebsten hätte sie gar nicht mit Lilian telefoniert, aber sie musste es einfach wissen: »Hat die Polizei bei dir angerufen?«
    Â»Nein«, erwiderte Lilian, »warum sollte sie? Haben die irgendeinen Verdacht?«
    Â»Glaube ich nicht«, antwortete Hanna schnell.
    Aber das glaubte sie natürlich doch. Schließlich war das Grab von Lilians Bruder jetzt geöffnet. Wenn die Polizei die Leichen von Ivan und Jan beim Felsen finden würde, dann würde sie auch John Daniel finden und seine Familie benachrichtigen. Endlich würden sie es erfahren.
    Aber für Hanna kam es nur darauf an, nicht in die Sache hineingezogen zu werden.
    Nichts, sie wusste gar nichts.
    Lilian schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Aber Marie-Louise hat mich am Freitag angerufen. Dich auch?«
    Â»Ja«, erwiderte Hanna, »mich hat sie auch angerufen.«
    Â»Dann weißt du schon, dass Leo Lundberg verschwunden war?«
    Â»Ja.«
    Lilian schwieg erneut, bis sie fragte: »Und du? Was kannst du erzählen, Hanna?«
    Â»Nichts«, sagte Hanna schnell und legte auf.
    Nichts.
    Danach legte sie sich auf ihr Sofa und dachte an Ivan. So viele Monate hatte sie sich nach ihm gesehnt, hatte davon geträumt, ihm zu helfen und ihn um jeden Preis aus der Klinik herauszuholen. Bisher hatten sie nur einige wenige Gespräche im Besuchszimmer führen können. Und ein einziges Mal hatten sie auf der Matratze unten im Schutzraum miteinander geschlafen.
    Jetzt war Ivan tot. Sie vermisste ihn.
    Aber wenn sie ehrlich war, vermisste sie auch Jan Hauger.
    Högsmed hat seine Erläuterungen kurz unterbrochen. Er räuspert sich und fährt dann fort: »Wir hatten somit an ein und demselben Abend mehrere Vorfälle. Aber wir haben die Situation in den Griff bekommen, und jetzt sind alle Patienten wieder auf ihren Stationen. Bis auf den Ausbrecher, er wurde tot aufgefunden, zusammen mit ...« Doktor Högsmed wirft Marie-Louise einen Blick zu, »... zusammen mit der Person, von der wir annehmen müssen, dass sie ihm beim Ausbruch geholfen hat. Ich spreche hier von Ihrem Kollegen Jan Hauger. Er liegt schwer verletzt im Krankenhaus, aber er lebt.«
    Es wird wieder still. Alle scheinen die Luft anzuhalten, auch Hanna.
    Jan lebt.
    Sie hört den Doktor tief seufzen, ehe er hinzufügt: »Ich bin für die Personalentscheidungen verantwortlich, und natürlich übernehme ich auch persönlich die Verantwortung für die Einstellung von Jan Hauger.«
    Â»So etwas kann man nicht vorhersehen«, wirft Marie-Louise ein. »Jan wirkte in vielerlei Hinsicht zuverlässig, doch es gab ein paar ... Warnsignale. Kürzlich erst hat er mir erzählt, dass er psychische Probleme gehabt hat. Offensichtlich war er in seiner Jugend in einer psychiatrischen Klinik.«
    Doktor Högsmed fährt mit der Schilderung der Ereignisse fort. Er berichtet, wie Leo Lundberg am Freitagabend spurlos vom Hof seiner Pflegefamilie verschwand, wie die Polizei nach ihm suchte, bis er spät in der Nacht auf einem Hof bei Göteborg auftauchte. Er war also nicht weggelaufen, sondern mit einem Auto entführt worden.
    Schließlich berichtet Högsmed, dass man Jan Hauger bewusstlos unterhalb eines großen Felsens aufgefunden hat, und zwar im selben Waldgebiet, in dem auch Leo wieder aufgetaucht war. Der Patient, dem Jan zur Flucht verholfen hatte, lag tot unter ihm. Sie hatten Jans Auto unten an der Straße stehen lassen, und dort lag auch ein Bekennerschreiben.
    Â»Wir nehmen an, dass es sich um eine Art Abschiedsbrief handelt«, sagt der Doktor. »Hauger und der Patient haben im Wald
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