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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt
Autoren: Johan Theorin
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größeren Städten gearbeitet, und ich fände es spannend, an einen kleineren Ort zu ziehen und zu sehen, wie es dort in einer Vorschule zugeht.«
    Â»Gut«, hatte Högsmed gesagt. »Allerdings ist das hier eine etwas spezielle Einrichtung für Kinder, weil deren Eltern bei uns Patienten sind ...«
    Dann hatte er ausgeführt, warum Sankt Patricia überhaupt eine Vorschule hatte: »Wir haben sie vor einigen Jahren als Versuchseinrichtung eröffnet. Die Grundidee beruht auf Forschungsergebnissen, wonach die Beziehung zu den Eltern absolut entscheidend für die Entwicklung kleiner Kinder ist, um sozial reife Individuen werden zu können. Sowohl temporäre als auch dauerhafte Aufenthalte in Kinderheimen bringen immer gewisse Probleme mit sich, und hier in Sankt Patricia wissen wir, wie wichtig es ist, dass Kinder einen regelmäßigen und stabilen Kontakt zu beiden biologischen Eltern haben, und zwar trotz der speziellen Umstände. Und auch für den betroffenen Elternteil ist der Kontakt zum Kind natürlich wichtiger Bestandteil der Behandlung.« Der Doktor machte eine Pause und fügte dann hinzu: »Das ist es schließlich, was wir hier in der Klinik machen: Wir behandeln. Wir bestrafen nicht, egal, was unsere Patienten auch immer getan haben.«
    Jan hatte zugehört und dabei bemerkt, dass der Doktor nicht das Wort »heilen« verwendet hatte.
    Högsmed hatte das Gespräch mit einer raschen Frage beendet: »Wie klingt das für Sie?«
    Jan fand, dass es interessant klang, und er hatte eine Bewerbung mit einem beigefügten Lebenslauf geschickt.
    Anfang August hatte Högsmed dann zurückgerufen. Jan war in der Auswahl eine Runde weitergekommen, und der Doktor wollte ihn kennenlernen. Sie hatten einen Termin in der Klinik vereinbart, und gegen Ende des Gesprächs sagte Högsmed: »Eine Bitte habe ich noch, Herr Hauger.«
    Â»Ja?«
    Â»Bringen Sie einen Ausweis mit, Ihren Führerschein oder Ihren Pass, damit wir uns versichern können, wer Sie sind.«
    Â»Ja, ja, natürlich.«
    Â»Und noch eine letzte Sache, Herr Hauger ... tragen Sie keine scharfen Gegenstände bei sich, denn dann werden Sie bei uns nicht in die Klinik gelassen.«
    Â»Scharfe Gegenstände?«
    Â»Scharfe Gegenstände aus Metall, also ... keine Messer.«
    Jan kam – ohne scharfe Gegenstände – gegen dreizehn Uhr, eine halbe Stunde vor dem Bewerbungsgespräch, mit dem Zug in Valla an. Er behielt die Zeit im Auge, war aber immer noch ganz ruhig. Er würde ja keinen Berg besteigen müssen, sondern hatte nur ein Bewerbungsgespräch vor sich.
    Es war ein sonniger Dienstag Anfang September, und die Straßen der Stadt um den Bahnhof herum waren hell und trocken, aber menschenleer. Er war zum ersten Mal in Valla, und als er auf den Bahnhofsvorplatz trat, wurde ihm klar, dass niemand wusste, dass er hier war. Niemand. Der Oberarzt von Sankt Patricia wartete natürlich auf ihn, doch für Doktor Högsmed war er nur ein Name und ein Lebenslauf.
    War er bereit? Natürlich. Er zog die Jackettärmel herunter und glättete seinen blonden Haarschopf, dann ging er zum Taxistand. Dort wartete ein einziger Wagen.
    Â»Klinik Sankt Patricia. Wissen Sie, wo das ist?«
    Â»Aber ja.«
    Der Fahrer sah zwar aus wie der Weihnachtsmann, war aber nicht ebenso freundlich; er faltete wortlos seine ­Zeitung zusammen und ließ den Motor an. Als Jan sich auf dem Rücksitz niedergelassen hatte, begegneten sich ihre Blicke für eine halbe Sekunde im Rückspiegel, als wollte der Weihnachtsmann prüfen, ob Jan auch gesund sei.
    Er hatte erwogen, den Fahrer zu fragen, ob er denn wisse, was für eine Art Klinik Sankt Patricia sei, doch sein Blick war eindeutig.
    Sie fuhren vom Bahnhofsvorplatz auf eine Straße, die parallel zu den Zuggleisen verlief, dann nahmen sie eine kurze Unterführung unter den Gleisen hindurch. Auf der anderen Seite standen mehrere große braune Ziegelbauten mit Fassaden aus Stahl und Glas, die wie ein Krankenhaus aussahen. Vor dem breiten Eingang sah Jan zwei gelbe Notarztwagen stehen.
    Â»Ist das hier Sankt Patricia?«
    Doch der Weihnachtsmann schüttelte den Kopf. »Nee, hier sind die Leute normal krank, nicht verrückt. Das ist das Bezirkskrankenhaus.«
    Die Sonne schien noch immer, keine Wolke stand am Himmel. Nach dem Krankenhaus bogen sie links ab, fuhren einen steilen
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