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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt
Autoren: Johan Theorin
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Metalldetektor, und weiter zu einer Tür, die er aufschließt.
    Jan kommt es vor, als würde es immer kälter, je tiefer sie in die Klinik hineingehen. Nach drei weiteren Stahltüren stehen sie in einem Flur, an dessen Ende eine einfache Holztür ist. Högsmed öffnet sie.
    Â»So, hier halte ich Hof.«
    Jan betritt ein ganz gewöhnliches Büro. Die meisten Gegenstände im Zimmer des Arztes sind weiß, von den Tapeten bis hin zu den gerahmten Diplomen neben den weißen Bücherregalen. Aber auf dem großen Schreibtisch, neben einigen Papierstapeln, scheint etwas Persönliches zu stehen, nämlich das Bild einer jungen Frau, die glücklich, aber erschöpft aussieht und ein neugeborenes Baby im Arm hält.
    Doch Jan entdeckt rechts auf dem Tisch noch etwas anderes, eine Sammlung Mützen und Hüte. Fünf Stück, recht abgenutzt. Die blaue Dienstmütze eines Wachmanns, eine weiße Schwesternhaube, ein schwarzer Borsalino, eine grüne Jägermütze und eine rote Clownperücke.
    Högsmed deutet darauf. »Nehmen Sie sich eine, wenn Sie möchten.«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Ich lasse meine neuen Patienten immer eine der Kopfbedeckungen auswählen und dann aufsetzen«, erklärt Högsmed. »Dann sprechen wir darüber, warum er oder sie ausgerechnet diese Mütze ausgewählt hat und was das bedeuten könnte. Sie dürfen das gern auch tun, Jan.«
    Jan streckt die Hand zu den Kopfbedeckungen aus. Er würde am liebsten die Clownperücke nehmen, aber was symbolisiert die wohl? Ist es nicht besser, eine hilfsbereite Krankenschwester zu sein? Ein guter Mensch. Oder ein Firmendirektor mit Borsalino, der für Klugheit und Wissen steht?
    Seine Hand beginnt leicht zu zittern. Schließlich lässt er sie sinken.
    Â»Ich muss wohl verzichten.«
    Â»Warum?«
    Â»Nun ... ich bin schließlich kein Patient.«
    Högsmed nickt kurz. »Aber ich habe gesehen, dass Sie im Begriff waren, den Clown zu wählen, Jan. Und das ist interessant, denn Clowns haben oft Geheimnisse. Sie verbergen etwas hinter einer lachenden Maske.«
    Â»Ach, ehrlich?«
    Högsmed nickt erneut. »Der Serienmörder John Gacy arbeitete bis zu seiner Festnahme als Clown in Chicago. Er fand es schön, vor Kindern aufzutreten, und Serienmörder und Sexualstraftäter sind natürlich auf eine Art auch Kinder, sie betrachten sich selbst als Mittelpunkt der Welt und sind nie erwachsen geworden.«
    Jan erwidert nichts darauf, aber er versucht zu lächeln. Högsmed sieht ihn ein paar Sekunden lang an, dann dreht er sich um und zeigt auf einen Kiefernholzstuhl vor dem Schreibtisch.
    Â»Setzen Sie sich, Jan.«
    Â»Danke, Herr Doktor.«
    Â»Natürlich bin ich Arzt, aber nennen Sie mich bitte einfach Patrik.«
    Â»In Ordnung ... Patrik.«
    Das klingt irgendwie falsch, findet Jan. Er will einen Doktor nicht mit dem Vornamen ansprechen. Mit einem raschen Blick auf den Oberarzt lässt er sich auf dem Besucherstuhl nieder, senkt die Schultern und versucht, sich zu entspannen.
    Doktor Högsmed ist jung für seine Position als Chef einer ganzen Klinik, aber ganz gesund scheint er nicht zu sein. Seine Augen sind feucht und wirken blutunterlaufen.
    Und kaum dass sich Högsmed ebenfalls gesetzt hat, lehnt er sich in seinem Bürostuhl zurück, nimmt die Brille ab und starrt mit aufgerissenen Augen an die Decke.
    Jan fragt sich im Stillen, was der Doktor da macht, bis er sieht, dass Högsmed ein kleines Fläschchen Augentropfen hervorgeholt hat. Er drückt drei Tropfen in jedes Auge. Dann blinzelt er die Tränen weg.
    Â»Hornhautentzündung«, erklärt er. »Auch Ärzte können krank werden, das vergisst man manchmal.«
    Jan nickt.
    Â»Ist es ernst?«, fragt er höflich.
    Â»Nicht besonders, aber die Lider fühlen sich jetzt seit einer Woche an wie Sandpapier.« Er beugt sich vor und blinzelt weiter dünnflüssige Tränen weg, dann setzt er die Brille wieder auf. »Nun, Jan, willkommen, wie gesagt. Sie wissen wahrscheinlich, auf welchen Namen der Volksmund unsere gerichtspsychiatrische Klinik getauft hat?«
    Â»Getauft?«
    Der Oberarzt reibt sich das rechte Auge. »Wie das Krankenhaus unten in der Stadt genannt wird. Also: Kennen Sie den Spitznamen von Sankt Patricia?«
    Den kennt Jan natürlich seit einer Viertelstunde, der Name kreist zusammen mit dem Namen des Mörders Ivan
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