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So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren
Autoren: Juliette Gréco
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Zug werden die gesuchten Untergrundkämpfer dann die spanische Grenze passieren.
    Die Geheimaktivitäten meiner Mutter gehören inzwischen zu unserem Alltag.
    Ich stelle keine Fragen. Ich weiß, dass das Land in einer schwierigen Lage ist und meine Mutter einer Widerstandsgruppe angehört.
    Mitten in der Nacht höre ich draußen ein Fahrrad. Vorsichtig steige ich aus dem Bett; durch die Lamellen des Fensterladens erkenne ich die Silhouette meiner Mutter. Im Morgengrauen höre ich sie zurückkommen. Ich weiß nicht, wo sie war, aber ich weiß, dass sie für die Freiheit kämpft. Das genügt mir.
    Die Festnahme
    An einem Nachmittag im September 1943 kehren meine Schwester und ich von einem Radausflug nach Bergerac zurück.
    Hungrig und durstig, wie wir sind – zwei Stunden sind wir über die Hügel gefahren –, springen wir von unseren Rädern, unsere Arme sind von der Anstrengung richtig rot geworden. Als wir das Gittertor aufstoßen wollen, stellen wir fest, dass es nicht geschlossen ist.
    Die Fenster des Hauses stehen offen, die Vorhänge flattern im Wind. Was ist hier los?
    Schnell begreifen wir, dass das Haus durchsucht worden ist. Kein Möbelstück steht mehr an seinem Platz. Fassungslos durchqueren wir die Zimmer, aber niemand ist da. Die Stille ist erschreckend. Kein Laut kommt über unsere Lippen.
    Charlotte setzt sich vor den Kamin im Salon; sie ist ratlos. Ich gehe ins Zimmer unserer Mutter und finde neben ihrem Bett auf dem Fußboden den kleinen Schlüssel für ihr Schmuckkästchen, das wie durch ein Wunder übersehen wurde. Ich öffne die Schatulle; darin befinden sich ihr schweres Goldarmband und die lange Halskette meiner Großmutter, die in ein Wildledertuch eingewickelt ist, sowie einige Banknoten.
    Die Türen des Buffets im Salon sind von den Eindringlingen demoliert worden. Die schöne Kiste, in der das Teeservice aus Porzellan aufbewahrt wird, ist noch da. Das Service stammt aus dem 18. Jahrhundert, zauberhafte chinesische Motive verzieren es.
    Ich sehe meine Schwester an; sie versteht, was ich vorhabe, und schüttelt den Kopf: Das Porzellan ist zu zerbrechlich, um es mitzunehmen.
    Denn wir können nicht hierbleiben, wir müssen etwas unternehmen. Das ist klar. Wir müssen hier weg. Wir reagieren pragmatisch und mit klarem Kopf. Der Schrecken, der uns befallen hat, lähmt uns nicht.
    Das ständige Kommen und Gehen am Abend, die unauffällige Ankunft immer neuer Personen, das hat die Staatsmacht jetzt unterbunden. Daran haben wir keinen Zweifel.
    Unsere Mutter ist jetzt eine Gefangene. Wir beschließen, uns zur Kommandantur in Périgueux zu begeben und ihr Sachen zum Anziehen zu bringen.
    Unterwäsche aus Wolle, Strümpfe und Oberbekleidung, die warm hält, verstauen wir in einem Koffer. Wir nehmen uns sogar die Zeit, um Kuchen für sie zu backen. Dann packen wir ihn ein, ohne auch nur ein einziges Stück zu probieren. Wir bringen es nicht übers Herz, wir haben auch keinen Appetit.
    Dass unsere Mutter die Schrecken der Lager durchleben muss, das ist jenseits unserer Vorstellung. Niemand hat uns bisher von deren Existenz erzählt.
    Die Gestapo
    Charlotte ist neunzehn, ich bin sechzehn Jahre alt, als wir La Marcaudie, unser Herrenhaus, verlassen.
    Wieder steigen wir auf unsere Räder, diesmal geht es in Richtung Bahnhof. Wir nehmen den Zug nach Périgueux, den schweren Koffer schleifen wir hinter uns her.
    Die Gestapo weist uns ab; man gibt uns nicht die geringste Information über unsere Mutter. Da wir nichts erreichen können und uns dieser Ort Unbehagen einflößt, empfehlen wir uns laut und deutlich und lassen den Koffer da, in der Hoffnung, dass unsere Mutter ihn bekommt. Wie ahnungslos wir sind!
    Zurück geht’s zum Bahnhof, der Schmuck unserer Mutter, die Halskette unserer Großmutter und ein paar Geldscheine sind unser einziger Besitz. Wir wollen nach Paris, zu Freunden von Charlotte. Zum ersten Mal kehren wir nach der Kriegserklärung in die Hauptstadt zurück.
    Wir streifen durch die Gassen von Périgueux, da bemerken wir einen Mann hinter uns. Wir geraten in Panik und nehmen die Beine in die Hand. Unter einem Portalvorbau verschnaufen wir und verstecken uns hinter einer Tür, bis wir uns zum Bahnhof wagen. Dort lachen wir los – und vergessen so für einen Augenblick unsere Angst.
    Wir denken, wir hätten ihn abgehängt. Aber er beobachtet uns weiter heimlich und folgt uns nach Paris, wo er vor dem schäbigen Hotel, in dem wir wohnen, Posten bezieht.
    Dieser Kerl wird uns wie Ratten in
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