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So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren
Autoren: Juliette Gréco
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eine Falle locken. Er ist Franzose. Wie könnte ich ihn vergessen.
    Nach drei Tagen haben wir fast kein Geld mehr, wir müssen ein Schmuckstück verkaufen.
    Wir flanieren die großen Boulevards entlang, bis wir eher zufällig in ein Juweliergeschäft geraten.
    Der Händler interessiert sich für die Halskette meiner Großmutter, er wiegt sie mit der Hand ab, betrachtet sie mit der Lupe und schlägt uns einen Preis vor. Ob der angemessen ist? Woher sollen wir das wissen? Aber haben wir eine Wahl?
    Der Juwelier verschwindet kurz nach hinten, dann kommt er wieder und steckt mir das Geld zu.
    Wir bedanken uns überschwänglich und verlassen das Geschäft. Ich ermahne Charlotte, schneller zu gehen, dann öffne ich meine Hand und zeige ihr die Kette, die ich geklaut habe. Wir brechen in Gelächter aus; wie im Rausch rennen wir los, überqueren die Straße, eine Bäckerei ist unser Ziel. Wir sterben beinahe vor Hunger.
    Für den nächsten Morgen habe ich mich mit meiner Schwester ins Pam Pam verabredet, das ist ein Café-Restaurant im Madeleine-Viertel, im achten Bezirk.
    Ich warte auf dem Gehsteig auf sie, da reißt mich das Quietschen von Bremsen aus meinen Gedanken. Mitten auf der Straße schlägt meine Schwester um sich, drei Männer packen sie und zerren sie unter meinen Augen in ein Auto. So schnell ich kann, renne ich hinterher und hole den Wagen auf Höhe des Rückfensters ein. Ich schlage so fest gegen die Scheibe, dass der Chauffeur anhält. »Das ist meine Schwester«, sage ich vollkommen durcheinander, »ich will mit.« Ein Mann lässt mich einsteigen.
    Es gibt kaum Platz, ich muss mich auf seine Knie setzen, was der Typ mit einem höhnischen Grinsen kommentiert. Wie entwürdigend.
    Charlottes Gesicht ist blass.
    Zu meinen Füßen liegt halb offen ihre Tasche mit Papieren und Zetteln.
    »Ich fahre gern im Auto spazieren. Wohin geht die Reise?«, sage ich und hebe gleichzeitig einen Fuß, den ich unter den Riemen ihrer Tasche gleiten lasse.
    Ich tausche unsere Taschen aus, ihre ist jetzt meine. Weiß ich doch, dass Charlotte Geheimtreffen besucht und unsere Mutter bei ihren Widerstandsaktionen unterstützt hat. Ich will sie schützen. Meine Schwester sieht mich mit großen Augen an.
    Und der Typ grinst immer noch vor sich hin.
    Der Wagen hält vor einem prunkvollen Hotel in der Avenue Foch. Ich steige aus, Charlottes Tasche fest im Arm.
    Wir sehen uns an, zärtlich; das Band, das uns verbindet, ist stark; keine Träne läuft uns über die Wangen.
    Man legt uns Handschellen an und schleift uns weiter.
    Zum ersten Mal im Leben werden wir getrennt. Für wie lange?
    Eine Höllenfahrt beginnt.
    Grecowitch
    Man führt mich in ein Büro.
    Eine junge Frau sitzt an der Schreibmaschine, ein reifer Apfel liegt neben ihr. Seine Herbstfarben leuchten verführerisch, ich habe Hunger.
    Die junge Frau tippt einfach weiter, sie sagt kein Wort. Ein Soldat ist neben der Eingangstür postiert. Ich blicke zur Tasche vor meinen Füßen. Meine Hände sind gefesselt. In flehentlichem Ton bitte ich darum, auf die Toilette zu dürfen. »Machen Sie sie los, und gehen Sie mit ihr«, sagt die Frau.
    Auf der Toilette beschwöre ich die Wärterin, die Tür zum Klo schließen zu dürfen. Ich darf. Schnell hole ich das Bündel Papiere aus der Tasche und zerreiße es in kleine Stücke. Dann kremple ich die Ärmel meiner Jacke hoch und stopfe die Papierschnipsel so tief wie möglich in das Abflussrohr. Ich ziehe die Spülung und drehe mich um. Im selben Moment öffnet die Wärterin die Tür.
    »Wir gehen!«
    »Ja, Madame.«
    Ich bin stolz auf mich, habe aber auch große Angst. Was werden sie mit mir machen? Wessen können sie mich beschuldigen?
    Ich gehe einen Gang entlang und höre dumpfe Geräusche und erstickte Schreie. Das Blut gefriert mir nachgerade in den Adern. Der Soldat bleibt vor einem Büro stehen und öffnet die Tür. Ich soll hineingehen. Dann schließt er sie hinter mir und geht. Das Gesicht mir gegenüber kenne ich. Dieser blasse Mann, dessen Absichten leicht zu durchschauen sind, hat meine Schwester und mich seit dem Bahnhof von Périgueux verfolgt.
    Er trägt einen hellblauen Anzug, sitzt auf der Kante des Schreibtischs und starrt mich an. »Ihr Ausweis ist ungültig«, beginnt er. »Ihr Name?«
    Ich sage ihn.
    »Der Name stimmt nicht. Sie lügen, ihr Ausweis ist gefälscht. Sie heißen Grecowitch!«
    Blöderweise muss ich lachen; aber das, was er sagt, ist auch zu grotesk.
    Die zwei Ohrfeigen, die er mir verpasst, machen mich
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