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So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren
Autoren: Juliette Gréco
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klebt, streckt sie der Armen entgegen, sie reckt das Kinn, und mit einem nicht enden wollenden Blick, der mich nahezu erstarren lässt, sieht sie das Mädchen fragend an.
    Einmal hat sie eine Hausangestellte hinausgeworfen. Bevor sie aber gehen konnte, musste sie noch die Freitreppe schrubben. Eifersucht hatte diesen Wutausbruch provoziert. Denn mein Großvater hat den klaren mintfarbenen Augen dieses wunderbaren Geschöpfs von siebzehn Jahren nicht widerstehen können. Er hatte es gewagt, sie im Garten anzusprechen. Um die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen, lud er Großmama ins Theater ein, danach ging er mit ihr soupieren, die beiden tranken Champagner und aßen Gänseleberpastete. Bei der Rückkehr nach Hause hatte sich die Lage entspannt.
    Die täglichen Mahlzeiten verlaufen fast immer gleich. Großvater macht das Zeichen des Kreuzes auf dem Brotrücken. Wir Kinder sitzen mit den Großeltern an einem Tisch. Mit zunehmendem Alter wollen sie immer früher zu Abend essen.
    Zurzeit wird um halb sieben oder sieben aufgetragen. Wir Kinder dürfen bei Tisch nicht reden. Großmutter hingegen drangsaliert Großvater mit tausend Fragen.
    Sie ist wirklich merkwürdig. Sie bestimmt gerne und redet viel. Und er darf meistens nur antworten. Er, ein angesehener Architekt bei der Stadt Bordeaux, kapituliert in Gegenwart seiner Gattin und gibt den Ruhigen und Schweigsamen. Manchmal aber wird er aufmüpfig, meist in Form eines feinen Scherzes.
    Ich habe eine solche Szene wie gewöhnlich von einem Versteck aus beobachtet. Meine Großmutter hatte eine gute Freundin, die Merdiane hieß, und sie sagte: »Meine Freundin Merdiane kommt heute zum Tee.«
    Darauf mein Großvater nur: »Dann vergesst nicht, die Fenster zu öffnen.«
    Ein andermal saßen wir bei Tisch. Sie sagte zu ihm: »Mein Lieber, haben Sie Ihre neuen Hemden schon anprobiert?« – »Ja, ja, meine Süße, ich habe sie anprobiert.« Dann sagte er lange nichts mehr. Meine Schwester und ich waren gespannt, wie es weiterging. Schließlich kam: »Sehen Sie, von da bis da, da friere ich.« Dabei zeigte er auf den kurzen Abstand zwischen Handgelenk und Manschette, also etwa einen Zentimeter.
    War es nur ein Scherz, oder steckte auch Pampigkeit dahinter? Ich habe es nie erfahren. Aber seltsam war es schon.
    Von Generation zu Generation
    In meiner Familie vererben die Frauen der nächsten Generation ihren Vornamen – und als Zugabe ihren starken Charakter. Und wenn dann korsisches Blut beigemischt wird … dann kommt jemand wie ich dabei heraus.
    Meine Urgroßmutter Maria Luisa war sehr früh Witwe geworden. Ihre Erbschaft war beträchtlich, wie später auch die ihrer einzigen Tochter, meine Großmutter Charlotte.
    Ob sich das Schicksal diese Abfolge von unabhängigen Frauen hat einfallen lassen? Vielleicht.
    Meine Urgroßmutter war eine verwegene Reiterin, sie liebte den Stierkampf und führte ein freies und glückliches Leben. Ihre Tochter – sie war bezaubernd mit ihren großen smaragdfarbenen Augen und den feinen Gesichtszügen – war erst fünfzehn, als ein weit gereister Gentleman und Politiker um ihre Hand anhielt.
    Maria Luisa hatte grundsätzlich nichts dagegen. Da das Mädchen aber noch sehr kindlich war, bat sie ihn zu warten, bis sie eine Frau geworden wäre.
    Für den gut aussehenden Freier war es kein Problem, dieser Bitte zu entsprechen. Zur Hochzeit schenkte er seiner jungen Gattin eine Puppe von der Größe eines dreijährigen Mädchens. Puppengeschirr, Schühchen, Spielsachen, ja eine komplette Aussteuer für das Puppenkind wurden sorgfältig in Schränkchen verstaut, die nicht größer waren als es. Eine Zauberwelt in Miniatur. Und um seine Frau noch mehr zu beglücken, lässt er ein Gewächshaus mit exotischen Vögeln bauen, und sie steht davor und beobachtet die Tiere mit Staunen.
    Die Jahreszeiten gehen ins Land, und die verliebte Charlotte schlüpft jeden Abend zu ihrem Mann unter die Bettdecke.
    Harmonisch frönt das Paar seinen Leidenschaften. Aber dann beschließt er, ihr Paris zu zeigen.
    Nach einer Mahlzeit zu zweit im besten Fischrestaurant der Hauptstadt stirbt er an einer Lebensmittelvergiftung. Charlotte, die gerade mal siebzehn ist, überlebt. Aber sie ist Witwe. Niedergeschlagen kehrt sie zu ihrer Mutter zurück.
    Die Jahre der Trauer vergehen, doch niemand vermag ihr Herz zu trösten, bis sie einem Mann begegnet, dreißig Jahre alt, von Beruf Architekt. Maria Luisa mag seinen intelligenten Blick und seine große Statur.
    Er ist nicht
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