Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition)
Autoren: Julian Fellowes
Vom Netzwerk:
charakterlich haushoch überlegen. Simon besaß keinerlei innere Substanz.
    Da begriff Edith, dass niemand Schlechtes von ihr denken würde (für sie ein entsetzlicher Gedanke), weil sie zu dieser Einsicht gekommen war. Im Gegenteil, die Leute konnten es nicht fassen, dass sie ihren Mann wegen eines solchen Hohlkopfs verlassen hatte. Und dennoch – sie hatte das Gefühl, einmal in ihrem Leben müsse sie ehrlich sein –, dennoch wollte sie Charles weder wegen seiner Tugenden zurückhaben, noch gab ihr Geheimnis den Ausschlag. Der wahre Grund war jenes Gefühl behüteter Wichtigkeit, das sie so vermisste und jetzt, in ihrer uneingestandenen Krise, mehr brauchte denn je. Die Trennungsmonate hatten letztlich nur die Meinung ihrer Mutter bestätigt. Edith hatte sich auf einen Spaziergang begeben und gemerkt, dass es draußen kalt war.
     
    »Ich glaube, ich werde Eric verlassen«, sagte Caroline, als sie sich endlich in den dichten Autobahnverkehr einfädelten. Edith nickte, hob
ein wenig die Augenbrauen und schwieg. »Kein Kommentar?«, fragte Caroline. Ihr Fahrstil war beängstigend. Sie hatte nie die Kunst erlernt, beim Fahren ein Gespräch zu führen, ohne ihren Gesprächspartner anzusehen.
    Edith warf einen nervösen Blick auf den Laster, der nur eine Handbreit entfernt an ihnen vorbeizog, und schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Ich sehe mich nicht in der Position, in der ich mir einen Kommentar erlauben könnte. Aber …« – sie starrte aus dem Fenster – »… ich habe nie begriffen, warum du ihn geheiratet hast. Dass du ihn verlässt, kommt mir wesentlich verständlicher vor.«
    Caroline lachte. »Ich habe vergessen, warum ich ihn geheiratet habe. Das ist das Problem.«
    »Ein Glück, das keine Kinder da sind.«
    »Findest du?« Carolines Gesicht verhärtete sich so sehr, dass sie an die Indianerhäuptlinge aus den Western der Fünfzigerjahre erinnerte, als man noch auf der Seite der Cowboys sein durfte. »Ich finde es eher ärgerlich. Das bedeutet, wenn ich welche haben will, muss ich den verdammten Zirkus noch einmal mitmachen.« Die Wahrheit dieser Feststellung ließ sich nicht abstreiten. »Manchmal habe ich das Gefühl, innerhalb gewisser Grenzen macht es kaum einen Unterschied, wen man heiratet. Am Ende hat man jeden ein bisschen satt, das lässt sich gar nicht vermeiden.«
    »Warum solltest du Eric dann überhaupt verlassen?«
    »Ich sagte, ›innerhalb gewisser Grenzen‹«, antwortete Caroline mit einer deutlichen Schärfe, wandte den Blick völlig von der Fahrbahn ab und hätte fast einen Transporter gestreift. »In meinem reifen Alter muss ich Lady Uckfield zugestehen, dass sie vielleicht doch Recht hatte.« Es war einer der beunruhigendsten Aspekte des Familienlebens der Broughtons, dass Caroline und Charles ihre Mutter untereinander Lady Uckfield nannten. Eine Art Witz und gleichzeitig ein Kommentar, beides ließ einen schaudern. Caroline fuhr fort: »Sie hat mir gesagt, es wäre ein Fehler, einen Mann zu heiraten, der sowohl gewöhnlicher Herkunft als auch mittellos ist, was ich natürlich postwendend getan habe. Doch sie hat auch noch gesagt, wenn ich schon
diese beiden Grundregeln brechen müsse, solle ich wenigstens einen Mann heiraten, der höflich ist und ein gutes Herz hat – schlechte Manieren und Grausamkeit seien die beiden Eigenschaften, die einem das Leben wirklich vergällen.«
    Edith nickte. »Da stimme ich ihr zu«, sagte sie, wohl ein wenig überrascht von der Weisheit ihrer Schwiegermutter. Sie hätte nicht überrascht zu sein brauchen. Lady Uckfield war viel zu intelligent, um nicht zu erkennen, dass wahres Leid alles Bemühen im Keim erstickt. Nur hatte sie eine viel vernünftigere Vorstellung als Edith, worin wahres Leid besteht.
    »Eric war so rüpelhaft. Nicht nur zu mir, sondern zu allen. Eine Abendgesellschaft bei uns war eine Art Überlebensparcours. Die Gäste mussten sich bis an die Zähne bewaffnen und möglichst vielen Tiefschlägen ausweichen, bis sie die Flucht in die Nacht antreten durften. Rückblickend kann ich mir nicht vorstellen, aus welchen Gründen jemand ein zweites Mal zu uns kommen sollte.«
    »Warum hast du Eric dann geheiratet?«
    »Zum Teil, um meine Mutter zu ärgern«, sagte Caroline, als verstünde sich das wohl von selbst. »Und zum Teil, weil er so gut aussieht. Und schließlich wohl auch, weil er mich so rasend gern heiraten wollte.«
    »Und jetzt glaubst du, dass er nicht ehrlich war.«
    »Doch, er war schon ehrlich. Er hatte den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher