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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Autoren: Gary Shteyngart
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werden für euch sterben!«, singen sie), wir haben die kriminelle Enge des russischen Familienlebens überlebt (»Verlass uns nicht!«, betteln sie) und die verschärften Erziehungsmethoden unserer Lehrer und Fabrikdirektoren (»Wir werden eure beschnittenen
chuj
an die Wand tackern!«, drohen sie). Jetzt bleibt uns nur noch eine Dose Bier mit einem genauso gescheiterten Freund an einem versifften Freiluftbüdchen.
    »Auf deine Gesundheit, Mischa Borisowitsch.«
    »Auf deinen Erfolg, Dimitrij Iwanowitsch.«
    »Auf das Heer, die Luftwaffe, die sowjetische Flotte … Und ex!«
    Ich bin von Natur aus bescheiden und blase gern daheim in Ruhe Trübsal, also habe ich nicht viele Freunde. Mein bester Kumpel in Russland ist ein Ex-Amerikaner, den ich Aljoscha-Bob zu rufen pflege. Als Robert Lipshitz in den nördlichen Ausläufern des Staates New York geboren, flog dieser kahle kleine Adler (im Alter von 25 Jahren war ihm das letzte Haar ausgegangen) vor acht Jahren in St. Leninsburg ein und verwandelte sich, von Alkoholismus und Trägheit befeuert, in einen erfolgreichen russischen
biznesman
namens Aljoscha, Besitzer von ExcessHollywood, einer rasend profitablen DVD -Import-Export-Firma, und in den Herzbuben Swetlanas, einer scharfen jungen Petersburgerin. Aljoscha-Bob ist nicht nur kahl, sein verkniffenes Gesicht läuft auch noch in einem rötlichen Ziegenbärtchen aus, seine wässrigen blauen Augen vermitteln dauernd den Eindruck, er werde gleich losheulen, und seine enormen aufgeworfenen Fischlippen säubert er stündlich mit Wodka. In der U-Bahn beschrieb ein Skinhead ihn einmal als
gnussnji zhid
, also »ekelhafte Judenfresse«, und das wird wohl der größte Teil der Menschheit in ihm sehen; ich tat es ganz gewiss, als ich ihn vor einem Jahrzehnt am Zufallscollege im amerikanischen Mittleren Westen als Kommilitonen im ersten Semester kennen lernte.
    Sooft wie möglich pflegen Aljoscha-Bob und ich unser interessantes Hobby. Wir verstehen uns als die
Gentlemen Who Like to Rap
. Als Gentleman-Rapper. Unser Œuvre reicht von den klassischen Jams von Ice Cube, Ice-T und Public Enemy bis zu den sinnlichen Gegenwartsrhythmen des
ghetto tech
, einer Mischung aus Miami-
bass
und Chicago-
ghetto-tracks
mit einem Hauch Elektronischem aus Detroit. Dem modernen Leser mag »Ass ’n Titties« von D. J. Assault vertraut sein, das vielleicht richtungweisende Werk dieses Genres.
    Am fraglichen Abend begann ich die Action mit einer kleinen Melodei nach Detroiter Art, die mir den Sommer versüßte:
Aw, shit
    Heah I come
    Shut yo mouf
    And bite yo tounge.
    In seinen abgetragenen Schlabberhosen von Helmut Lang und seinem Zufallscollege-Sweatshirt fiel Aljoscha-Bob ein:
Aw, girl,
    You think you bad?
    Let me see you
    Bounce dat ass.
    Und so ertönten unsere an kruden sexuellen Anspielungen reichen Lieder über den vier Stegen des »Russischen Fischerheims« (Laichender Lachs, Fürstlicher Stör, Kapriziöse Forelle und Süßer Kleiner Butterfisch), über diesem ganzen künstlichen See, wie er auch immer heißen mochte (Dollarsee? Lago di Euro?), über dem kostenlosen bewachten Parkplatz, auf dem die vertrottelten Bediensteten gerade meinen neuen Landrover verbeulten.
Heah come dat bitch
    From round de way
    Box my putz
    Like Cassius Clay.
    »
Sing it
, Snack Daddy!«, feuerte Aljoscha-Bob mich an, wobei er meinen Spitznamen vom Zufallscollege benutzte.
My name is Vainberg
    I like ho’s
    Sniff ’em out
    Wid my Hebrew nose
     
    Pump that shit
    From ’round the back
    Big-booty ho
    Ack ack ack
     
    Da wir uns in Russland befanden, einer Nation aus aufdringlichen, in eine tölpelhafte Moderne geschleuderten Kleinbauern, war klar, dass uns bald jemand den Spaß verderben würde. Und so versuchte es unser Neben-
biznesman
, ein sonnenverbrannter Killer aus dem mittleren Management, seine teigige Freundin aus irgendeiner kuhreichen Gegend im Gespann, mit: »Na, Jungs, ihr müsst doch nicht singen wie die Austauschstudenten aus Afrika. Ihr seht doch kultiviert aus«, anders gesagt: wie ekelhafte Judenfressen, »warum deklamiert ihr nicht lieber ein wenig Puschkin? Gibt es von ihm nicht ein paar schöne Verse über die Weißen Nächte? Das würde doch zur Jahreszeit passen.«
    »He, wenn Puschkin heute leben würde, wäre er Rapper geworden«, sagte ich.
    »Genau«, sagte Aljoscha-Bob. »Er wäre MC Push.«
    »
Fight the power!
«, sagte ich.
    Unser Puschkin-Verehrer starrte uns an. So geht es einem übrigens, wenn man kein Englisch kann. Man
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