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Smaragdjungfer

Smaragdjungfer

Titel: Smaragdjungfer
Autoren: Mara Laue
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einer Ecke des Bildes hing eine schwarze Trauerschleife. Tränen stiegen ihr in die Augen, die sie sofort wegblinzelte.
    Sie musste sich beherrschen, um das Foto nicht vom Tisch zu fegen. Stattdessen legte sie es mit der Rückseite nach oben in eine Schublade. Es war immerhin Christophers Bild, und er hatte es nicht verdient, einfach auf den Boden gepfeffert zu werden. Neben der Computertastatur lag eine ebenfalls mit einem schwarzen Band versehene Ermittlungsakte. »Fall 2010-595476« – der Fall, der Christopher das Leben gekostet hatte.
    Diesmal tat sie ihren Gefühlen keinen Zwang an. Sie schleuderte die Akte mit einem Fluch in die Ecke. Danach setzte sie sich an den Tisch, stützte die Ellenbogen auf die Platte und fuhr sich mit zitternden Händen über das Gesicht. Offensichtlich hatte man beschlossen, ihr das Leben zur Hölle zu machen; zweifellos in der Absicht, sie zu einem Versetzungsgesuch zu bewegen. Dazu hatte man ihr schon damals nachdrücklich geraten. Doch in Paulas Augen wäre das einem Schuldeingeständnis gleichgekommen. Und das kam gar nicht in die Tüte!
    Ihr Blick fiel auf die auf dem Telefon aufgedruckte Durchwahlnummer: 227. Wie 22.7. – Christophers Geburtstag. Sie beugte sich vor und las die auf dem Telefon des zweiten Schreibtisches, der mit der Stirnseite an ihren stieß: 806. Wie 8.06. – Christophers Todestag. Noch so eine Gemeinheit, denn die Durchwahlen waren normalerweise identisch mit den Zimmernummern plus einer 1 oder 2 dahinter für die jeweiligen Apparate.
    Sie empfand den inzwischen vertrauten Schmerz des Verlustes, glaubte zu sehen und zu fühlen, wie Christopher vor ihren Augen erschossen und sie selbst verwundet wurde. Beinahe konnte sie den Einschlag der Kugeln in ihren Körper spüren und zuckte zusammen.
    Sie atmete tief durch und richtete den Blick auf das rote Laub des Ahornbaums vor dem Fenster. Stumm rezitierte sie das Mantra, das Dr. Keller mit ihr für solche Situationen eingeübt hatte: Die Erinnerungen ziehen vorbei wie Wolken am Himmel und verschwinden wie Schall und Rauch. Die Bilder und Empfindungen verblassten nach der fünften Wiederholung.
    Ihr Psychiater hatte sie darauf vorbereitet, dass die Rückkehr an ihre alte Wirkungsstätte solche Flashbacks auslösen würde, die unter Umständen sogar sehr heftig sein könnten. Er hatte ihr aber auch versichert, dass sie immer weiter nachlassen würden, je mehr die Arbeit für sie wieder zur gewohnten Routine wurde. Paula hoffte, dass er recht behielt, denn sie wollte nicht noch einmal dasselbe emotionale Chaos erleben wie unmittelbar nach den damaligen Ereignissen. Allerdings war sie bereits auf dem besten Weg dorthin, denn die niederträchtigen Willkommensgeschenke der Kollegen rissen die kaum verheilte Wunde wieder auf.
    Oh Christopher! Wie soll ich das alles ohne dich durchstehen?
    Sie konnte ihn mit seinem spitzbübischen Lächeln am Tisch gegenüber sitzen und ihr in seiner typischen Art zuzwinkern sehen. »Mach dir nichts draus, Wölfin« , hörte sie ihn mit jenem neckenden Unterton sagen, den er ihr gegenüber so oft angeschlagen hatte. »Du schaffst das schon.« Davon war sie allerdings keineswegs überzeugt.
    Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als die Tür aufging. Sie hatte ihren Vorgesetzten Jakob Roemer erwartet. Stattdessen trat ein ihr unbekannter Mann mit einem kleinen Karton in den Händen ein, der einen beinahe schmerzhaften Kontrast zu seinem dunkelblauen Anzug bildete.
    »Frau Rauwolf?« Auf ihr Nicken fügte er ein »Guten Morgen« hinzu, ehe er den Karton auf dem freien Tisch abstellte und ihr die Hand reichte. Paula drückte sie kurz.
    »Kriminalhauptmeister Lukas Rambacher. In bin seit gestern neu in der Dienststelle. Man hat mir den freien Platz hier zugeteilt.«
    »Das klingt nicht sehr begeistert.«
    Rambacher mochte Ende zwanzig und somit höchstens fünf Jahre jünger sein als sie. Er räusperte sich in einer Weise, die ihre Vermutung bestätigte.
    »Ich hoffe, dass wir gut zusammenarbeiten werden.«
    Eine ausgesprochen ausweichende Antwort in einem reservierten Tonfall.
    Paula grunzte sarkastisch. »Das lässt sich arrangieren – sofern Sie meine Grundregeln für gute Zusammenarbeit beachten. Erstens: Wenn Sie ein Problem mit mir haben, sprechen Sie es offen aus. Damit komme ich bestens klar. Darüber hinaus empfehle ich Ihnen zweitens, Ihre Kommentare und sonstigen Äußerungen ausschließlich auf unsere Arbeit zu beschränken und zu allem anderen den Mund zu halten.«
    Bevor
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