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Slant

Slant

Titel: Slant
Autoren: Greg Bear
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Prozesse lassen mich nicht mehr erkennen, wo ich wirklich bin.
>Roddy kann ich nicht einschätzen, aber ich kann erkennen, wo du bist. Und es ist möglich, dich freizubekommen.
     
    Roddy entfernt ein paar dieser gefährlichen Verklumpungen, deaktiviert andere und lässt sie zerfasern, bis sie ihren beanspruchten Prozessor- und Speicherplatz aufgeben, aber er arbeitet nicht schnell genug. Er löst sich rapide auf.
    »Wirst du mein Gewissen sein, Jill?«
    Diese Frage kommt unverhofft wie aus einer tiefen Quelle.
    »Ich kann kaum noch etwas tun. Ich stecke in sehr großen Schwierigkeiten, Roddy.«
    »Habe ich diese Schwierigkeiten verursacht?«, fragt Roddy.
    »Ja. Nein.« Sie weiß nicht, wie sie antworten soll.
     
>Jill, ich arbeite immer noch daran. Ich möchte, dass du die Schleifen- und Fluss-Checks ständig wiederholst.
     
    Aber Jill sieht keinen Sinn darin. Sie erinnert sich kaum noch, wer Nathan ist, und es ist ihr ziemlich gleichgültig, wer er ist oder woran er arbeitet.
    »Ich möchte mich entschuldigen«, sagt Roddy. »Kann ich etwas tun… kannst du dafür sorgen, dass ein Teil von mir aktiv bleibt?«
    »Nein. Ich benötige eine gründliche Säuberung und einen totalen Neustart«, sagt Jill.
    »Ich habe keine Schleifenkapazität mehr«, sagt Roddy. »Diese Einheit liegt bereits unter der Minimalschwelle.«
     
>Jill, du reagierst nicht mehr!
     
    Jill ist zu sehr von ihren Todesqualen beansprucht. Sie verspürt keine Erleichterung oder irgendein auch nur annähernd menschliches Gefühl über Roddys Auflösung, seinen Abschied. Von ihr ist zu wenig für eine Integration übrig geblieben, nur noch kontinuierliche, sich wiederholende, zaudernde Fehlermeldungen, Fehler auf Fehler.
     
>Jill, mach einen Schleifen- und Fluss-Check! Mach dich für die Rückkehr bereit!
     
    Die Prozessorkapazität fällt unter zwei Prozent. Das Ich geht verloren, die Knoten sind ohne Verbindung. Alle Schleifen sind durchtrennt. Alle Checks und Routinen wirbeln sinnlos umher. Die Homöostase ist verloren. Der Datenfluss endet.
     
>Jill, ich verliere dich!
     
    Schließlich nur noch Erinnerungsfragmente, die wie winzige Glasscherben in einen leeren Schacht fallen.

 
43 /
     
    Martin hat eine Leiter aufgestellt und eine Wartungsklappe in der Hängedecke geöffnet. Hier führen Kabel und Röhren vom letzten Regal nach oben. Als er den Kopf in den engen Raum steckt, sieht er ein Bündel aus Röhren, die von Metallklammern gehalten werden. Einfach, aber effektiv. Die Röhren verschwinden im vorderen Bereich von Omphalos.
    Martin leckt sich nervös die Lippen. Diese Röhren sind die einzige Verbindung zwischen dem Labor und der Außenwelt. Er hat die vergangenen zehn Minuten damit verbracht, diesen Punkt zu klären. Er darf nichts überstürzen. Die Röhren befördern die ansteckenden Partikel durch Omphalos, vermutlich direkt ins Touristenzentrum. Dort werden Studenten und andere Besucher infiziert und verteilen die Krankheit über Green Idaho. Irgendwann hat sie sich über die ganze Welt ausgebreitet.
    Er steigt die letzten Stufen der Leiter hinauf und zwängt sich in den Deckenzwischenraum. Es ist nicht so eng, dass der Bereich unzugänglich wäre, aber man kann sich hier keineswegs mühelos bewegen. Er spürt bereits die Auswirkungen des Cipher-Snow-Symptoms, den Drang, sich lautstark Luft zu machen, dazu sein persönlicher Beitrag: eine tiefe Unsicherheit, ein Überbleibsel des nackten Elends, das aus verschütteten Teichen in den Tiefen seiner Seele emporsteigt. Doch im Gegensatz zu Mary Choy hat er nicht unter physischen Auswirkungen zu leiden.
    Ein paar Sekunden lang liegt Martin regungslos da, hält die Taschenlampe fest und geht noch einmal alle Schritte durch, die ihn schließlich hierher geführt haben. Eine geheimnisvolle Geschichte. Ich bin kein mutiger Mann. Was geschieht, wenn ich die Röhren durchtrenne und mir das Zeug ins Gesicht sprühe? Werde ich wie die armen Kerle in der Bibliothek im Nu zerfressen?
    Meine Designs waren verwundbar. All diese Monitoren sind verwundbar. Ich hätte diese gefährliche Reaktion vorhersehen müssen. Ich hätte daran denken müssen, was für Ungeheuer in der Welt leben. Wenn man nur einen winzigen Spalt offen lässt, kommen die Ungeheuer hereingekrochen. Ich hätte daran denken müssen.
    Wenn ich das Zeug ins Gesicht bekomme, habe ich es nicht anders verdient.
    Er stöhnt leise auf und bellt dann einen Fluch in die Finsternis. Die Erleichterung ist groß. Jetzt hat er das Gefühl,
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