Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sklavin des Höhlenmenschen

Sklavin des Höhlenmenschen

Titel: Sklavin des Höhlenmenschen
Autoren: Lena Morell
Vom Netzwerk:
dass man ihn mit den scharfen Steinen zerteilte und seine Stücke über dem Feuer briet.
    Der Alte, der Siri damals gebracht hatte, war gut zu ihr gewesen. Er hatte sie immer freundlich behandelt, sie niemals begatten wollen, sondern hatte nur verlangt, dass sie für ihn arbeitete. Er war schon alt gewesen, hatte nicht mehr so schnell laufen können wie die anderen, und sie hatte für ihn Nahrung holen müssen. Er war es, der ihr damals, als sie voller Entsetzen zugesehen hatte, wie ein Feind gegessen wurde, erklärte, dass die Männer dies taten, um die Kraft des Feindes aufzunehmen. Es war ein machtvoller Mann gewesen, der Rama fast besiegt hatte, und seine Kraft sollte auch die Mitglieder der Sippe stärken.
    Seitdem hatte sich Siri auch daran gewöhnt. Aber zum Glück gab es nicht mehr viele andere, mit denen sie im Kampf standen, die sie bei Anbruch des Tages überfielen, die Männer töteten und ihre Frauen und Kinder verschleppten. Es war schon lange nicht mehr der Fall gewesen, fiel Siri ein, als sie darüber nachdachte. Zuletzt vor vielen runden Monden. Sehr vielen. Der Zyklus von Kälte und Hitze lag einige Male dazwischen.
    Der Alte, der sie damals mitgebracht und vor den anderen beschützt hatte, damit sie ihm diente, war ebenfalls schon vor vielen Monden gestorben. Aber ihn hatten sie nicht in den Abgrund geworfen und auch nicht seine Kraft an die Überlebenden verteilt. Ihn hatten sie begraben. Siri und zwei andere Frauen hatten mit Steinen und Hölzern ein Grab geschaufelt, möglichst tief, damit die Tiere ihn nicht ausgraben und zerfleischen konnten. Dann hatten sie den leblosen Alten hineingelegt, die Beine angezogen und die Arme darum geschlungen. Es war die Zeit gewesen, in der die Gräser und Sträucher in Blüte standen, kurz bevor sie Früchte ansetzten, und Siri hatte einen Kranz gewunden und ihn dem Alten auf die Brust gelegt. Einige Männer hatten gelacht, aber Rama hatte das erste und letzte Mal etwas getan, für das Siri ihm dankbar gewesen war: Er hatte das Lieblingswerkzeug des Alten, einen flachen, scharfen Stein genommen, und ihm ebenfalls auf die Brust gelegt. Und dann war eine der Frauen gekommen – seine Tochter, wie Siri wusste – und hatte noch ein Stück Holz in der Form eines Menschen dazugelegt, das der Alte immer bei sich getragen und oftmals angesehen hatte.
    Sie hatten ihn mit großen Blättern bedeckt, damit die Erde nicht auf sein Gesicht fiel, als sie das Grab wieder zuschütteten. Siri hatte geweint, und auch andere hatten Laute der Trauer ausgestoßen.
    Eine von Ramas Frauen holte dann Siri, damit sie ihr diente. Sie hatte das wohl schon deshalb gemacht, weil die hässliche Siri sie nicht beim Leitmännchen ausstechen konnte, und sie doch eine zähe Arbeiterin war. Sie hatte Siri mitgenommen, wenn sie Beeren und Früchte sammelte, hatte ihr auch vieles gelehrt und sie gut behandelt. Hatte ihr gezeigt, wo man graben musste, um zu genießbaren Wurzeln zu kommen. Welches Wasser trinkbar war und welches Krämpfe und sogar Tod verursachte. Sie hatte ihr gezeigt, wie man den erlegten Tieren das Fell abzog, es säuberte und mit geflochtenen Lederriemen um den Körper band, wie man es in schmale Streifen schnitt und mit einem spitzen, dünnen Stein Löcher in die großen Fellteile machte, damit man die Streifen durchziehen und die Fellstücke auf diese Art befestigen konnte. Siri hatte von ihr gelernt, große Früchte auszuhöhlen, um dann andere Dinge einfüllen zu können. Und Ramas Gefährtin hatte ihr sogar gezeigt, wie man das Feuer hütete. Das war etwas gewesen, das nur wenigen im Rudel erlaubt war. Feuer war etwas Heiliges. Es war ein Geschenk der Gottheiten, die in den Steinen und in den Pflanzen, in der Erde und in der Luft lebten. An manchen Tagen, wenn die Götter zornig waren, wenn starker Regen fiel, und die Erde von ihrer Wut erbebte, die leuchtende Gottheit Feuer herabschleuderte, dann konnte es vorkommen, dass einer von ihnen den Menschen ein bisschen von dem Feuer übrig ließ, das dann in einem Baum brannte. Dann mussten die Männer eilen, um es zu holen, mussten oft sogar gegen die wilden Tiere kämpfen, die sie besiegen wollten, weil sie ihnen das Feuer neideten.
    Und dann wurde es gehütet. Im Eingang der Höhle, wo es die Tiere fern hielt, weil die kein Recht hatten, es zu besitzen, und es daher fürchteten. Wo es aber auch die Kälte abhielt, die an den dunklen Tagen in die Höhle kroch und alle krank machte.
    Ja, Siri hatte in dieser Zeit viel Gutes
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher