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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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bieten, ihre Gewinne wieder auszugeben. Welcher Ort wäre da besser geeignet als der Hinterhof der Irrenanstalt von Turner?«
    Jake schnaubte. »Als ob die Leute da wirklich was gewinnen könnten.«
    Pete warf ihm einen amüsierten Blick zu: »Du bist kein großer Spieler vor dem Herrn, was?«
    »Nur in der Liebe. Und du weißt ja, was mir das eingebracht hat: einen monatlichen Unterhaltsscheck.«
    Die Scheidung seiner Eltern schmerzte Jake noch immer fast ebenso sehr, wie ihn seine eigene geschmerzt hatte. Er hatte noch lebhaft in Erinnerung, wie er sich an das Bein seines Vaters geklammert hatte, als der von zu Hause auszog. Sein jüngerer Bruder Sam war damals noch ganz klein, konnte noch nicht mal stehen und verstand nicht, was vor sich ging. Jakes Kindheit dagegen war von diesem Moment an schwierig geworden. Nach zwanzig Jahren bei der Gerichtsmedizin war er der festen Überzeugung, dass die häufigsten Motive für Mord die Liebe und die Ehe waren. Wenn es nach ihm ginge, würde das Ehegelübde lauten: Ich verspreche, dich zu lieben, dich zu ehren und dich nicht umzubringen. Er hatte sich für den Beruf des Gerichtsmediziners entschieden, weil er die Gesellschaft verbessern und zugleich beweisen wollte, dass ein jugendlicher Straftäter doch noch etwas aus seinem Leben machen konnte. Die Zeit, die erforderlich gewesen wäre, um eine Ehe gelingen zu lassen, war mit diesen Zielen unvereinbar.
    Sie fuhren weiter die Straße entlang, und die ersten Sonnenstrahlen lugten durch die Bäume. »Die haben gestern am frühen Morgen mit dem Aushub der Baugrube für ihr dämliches Ein­kaufszentrum angefangen«, sagte Pete, »und dabei hat der Schau­felbagger den oberen Teil eines menschlichen Schädels zutage gefördert. Der Unterkiefer, die Kinnlade fehlte. Ist wahr­scheinlich mit der Erde weggeschafft worden, ehe die Männer gemerkt haben, was sie da hatten. Bei so einer Baustelle neigen die Arbeiter dazu, alles zu ignorieren, was sie aufhalten könnte, aber der Baggerführer hat die Polizei verständigt, und die haben mich angerufen. Ich hab außer dem Schädel eine Elle und ein Schienbein gefunden und eine Unterbrechung der Arbeiten an­ge­ordnet.« Harrigan schielte zu Jake hinüber. »Rat mal, was der Bauunternehmer gesagt hat, was ihn die Verzögerung kosten würde.«
    Jake lächelte in seine Tasse: »Den Kopf?«
    »Genau.«
    »Ich vermute mal, dass das keine alten Siedlerknochen sind, sonst hättest du mich wohl kaum antraben lassen.«
    »Richtig. Binnen einer Stunde wimmelte es am Fundort nur so von Leuten: der Bauunternehmer persönlich – R. Seward Reynolds –, seine Lakaien, seine Anwälte, der Bürgermeister, der Sheriff, der halbe Stadtrat und die allerliebste Marge Crespy, Nestorin der Turner Historical Society.«
    »Großer Gott!«
    »Alle waren geradezu erpicht darauf, dass das die Überreste eines Siedlers sind. Ich hab ihnen gesagt, unmöglich. Gestern Nachmittag musste ich mich um was anderes kümmern, das ich nicht verschieben konnte. Gestern Abend hab ich dann angerufen, damit du mich in der Sache unterstützt.«
    Jake hatte auf einmal das vertraute mulmige Gefühl im Magen, das sich immer einstellte, wenn er Korruption witterte. »Klar. Ein Siedler würde bedeuten: keinen Streit um einen möglichen Indianerfriedhof, keine Sorgen, es könnte sich um den Tatort eines Verbrechens handeln. Sie können die Knochen einfach irgendwo anders neu bestatten und weiter das Einkaufszentrum aus dem Boden stampfen.« Er sah seinen Freund und Mentor an und bemerkte die Wut in Petes Körperhaltung. »Glaubst du, es ist ein Indianer?«
    »Ich hab einen Schneidezahn gefunden. Der ist nicht schaufelförmig. Der Schädel hat rechteckige Augenhöhlen und eine dreieckige Nasenöffnung. Was meinst du?«
    »Ein Weißer.«
    Harrigan nickte. »Und das ist auch gut so, was den Bürgermeister angeht. Den hätte fast der Schlag getroffen, als er sich vorgestellt hat, es könnte Zoff um altes Indianerland geben.«
    »Wo liegt denn dann das Problem?«
    »Die Knochen hatten normales Gewicht und waren nicht porös.«
    »Also wahrscheinlich keine fünfzig Jahre alt.«
    »Und sie waren nicht klebrig. Auf meine Zunge ist Verlass.«
    Jake stellte sich Miss Crespys Reaktion vor, als Pete die Knochen mit der Zunge berührte, um festzustellen, ob sie aufgrund einer porösen Struktur und eines Mangels an organischem Material klebrig waren. »Der Zeitpunkt des Todes ist nicht lange her. Hast du ihnen das gesagt?«
    »Natürlich. Aber es
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