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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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geht um einen hübschen Batzen Steuereinnahmen, und da sind sie wohl kaum geneigt, einem Knochen­lecker zu glauben.«
    »Hast du mich deshalb kommen lassen? Um dir den Rücken zu stärken?«
    »Zum Teil. Und auch aus praktischen Erwägungen. Meine Hände und Augen sind nicht mehr so auf Zack wie mein Verstand. Mein Herz wird auch nicht gerade stärker. Ich hatte schon beschlossen, Ende des Jahres aufzuhören.«
    Er stockte. »Das hier könnte der letzte interessante Fall meines Lebens werden. Es wäre irgendwie passend, wenn wir ihn zusammen bearbeiten würden.«
    Er bettelt ja förmlich, dachte Jake, verblüfft über einen Tonfall, den er nie zuvor gehört hatte. Warum? Er konnte sich noch so gut an Harrigan als den energischen Pathologen erinnern, der ihn in dem Moment, als sie sich in der Leichenhalle des Bellevue Hospital kennengelernt hatten, unter seine Fittiche genommen hatte; Jake war noch im Medizinstudium gewesen, und die Gerichtsmedizin hatte die alte Bellevue-Leichenhalle benutzt. Jetzt musterte er seinen Freund mit dem Blick des Wissenschaftlers, den Pete aus ihm gemacht hatte.
    Und er sah einen Mann mit Händen, die schwach zitterten, mit einer Haut, die papierdünn und durchscheinend geworden war, und mit wässrigen Augen, die längst nicht mehr so klar und konzentriert blickten. Er ist alt. Älter und hinfälliger, als ich ihn je gesehen habe.
    »Natürlich helfe ich dir«, sagte Jake tief gerührt. »Es ist mir eine Ehre.«
    Pete schnaubte: »Werd jetzt bloß nicht sentimental. Hab ein bisschen Anstand, Mann.«
    »Bleib höflich«, warnte Jake, »sonst kannst du lange auf deinen Johnnie Walker Blue warten.«
    Petes Augen wurden groß. » Blue? «
    »Hier in meiner Reisetasche. Ein kleines Geschenk von deinem glühendsten Verehrer.«
    »Wir sind da«, sagte Pete und hielt das Auto an. »Bringen wir’s schnell hinter uns, damit wir nach Hause fahren und ihn trinken können.«
    Auf dem spärlichen Gras am Rand der Baustelle parkten bereits über ein Dutzend Fahrzeuge, darunter auch der Streifenwagen des Sheriffs. Dahinter erstreckte sich eine Fläche, die mal bewaldet gewesen war. Eine Menge Bäume war bereits gefällt worden, und die Stämme warteten zu ordentlichen Pyramiden gestapelt auf den Abtransport zum Sägewerk. Pete und Jake gingen zu dem Schaufelbagger, einem stummen Ungeheuer, das am Rand des Feldes stand, so hilflos wie ein Kinderspielzeug. Fünfzehn Leute hatten sich in der Nähe versammelt. Nur eine Frau war darunter, um die fünfzig und in ihrem langen Wollblazer eine resolute Erscheinung – Miss Crespy, keine Frage, dachte Jake. Die meisten Männer trugen Jeans, Flanellhemden und Arbeitsschuhe, die universale Kleidung der Bauarbeiter. Drei weitere standen einige Meter entfernt, zwei in Khakihosen und Hemdskragen, der dritte mit Bierbauch und Dienstmarke. Die Frau kam sofort auf sie zu, als sie Harrigan erblickte.
    »Der da links ist der Bürgermeister«, flüsterte Pete. »Daneben steht Reynolds’ Vorarbeiter. Der andere ist der Sheriff, wie du siehst.«
    Die Gruppe hatte offensichtlich auf Harrigan gewartet. Sie beäugten Rosen mit dem Argwohn, wie er Fremden in einer Kleinstadt entgegengebracht wird.
    »Darf ich vorstellen: Dr. Jacob Rosen vom Büro der Gerichtsmedizin der Stadt New York«, sagte Pete. »Bürgermeister Bob Stevenson, Sheriff Joe Fisk, Harry King – er ist für die Baustelle verantwortlich – und natürlich Miss Crespy.«
    Alle schüttelten Jake die Hand, nur Fisk nicht, der sich abwandte und irgendwas Unverständliches vor sich hin murmelte.
    »Dr. Rosen ist der Beste in seinem Fach«, sagte Pete – übertrieben munter, wie Jake fand. »Ich habe ihn gebeten, mir bei der Bergung zu helfen.«
    Bürgermeister Stevenson sah alles andere als begeistert aus. »Ich bitte Sie, Pete«, sagt er. »Sie wissen doch, wir können uns keinen sündhaft teuren New Yorker –«
    »Dr. Rosen tut mir persönlich einen Gefallen und stellt uns seine Zeit zur Verfügung. Die Chance sollten wir uns nicht entgehen lassen.«
    Die Gruppe ging zum Rand des klaffenden Lochs, das die riesige Maschine am Vortag in den Boden gegraben hatte. Direkt davor war eine schwarze Plane ausgebreitet worden, auf der zwei Knochen und der obere Teil eines Schädels lagen. Keiner der Betrachter schien versessen darauf, näher zu treten.
    Jake ging neben der Plane in die Hocke und nahm den Schädel in die Hand. Wie Pete gesagt hatte: normales Gewicht, nicht porös. Eindeutig unter fünfzig Jahre
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