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Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Titel: Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)
Autoren: Alexandra Tobor
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äußerst gekämmt aus, was dem polnischen Ideal entsprach. Nun brauchte ich nur noch durch den Sprühnebel zu laufen, den Oma mit ihrem Styling-Spray im Flur erzeugt hatte, und das Blumenkränzchen klebte sich von selbst an die Haare. Fixierspangen waren vorerst nicht nötig. Mama schaute zufrieden auf mich herunter wie ein Bildhauer auf sein Werk. Zum Schluss warf ich den Beutel über die behandschuhte Hand, nahm die von Selma aus Rom mitgebrachte Kommunionskerze in die andere, und der gestriegelte, nach etwas besserem Rasierwasser duftende Papa konnte mich ins Pfarrhaus fahren, wo ich mich mit den anderen Kommunionskindern eine Stunde vor Beginn der Messe einzufinden hatte.
    Auf den Straßen standen überall mit weißen Bändern geschmückte Bäumchen, Eingänge von Familienhäusern und Gaststätten waren von Efeu umrankt und mit großen, glänzenden Schleifen geschmückt. Die festliche Dekoration, die während der Fahrt an uns vorbeiflog, ließ erahnen, dass ich ins Pfarrhaus einziehen würde wie Jesus in Jerusalem. Palmwedel wogten schon, um mich zu erfrischen. Ich kurbelte das Fenster herunter und streckte keck die Finger heraus, wie um dem Volk zuzuwinken. Das war mein Tag! Und er endete schlagartig mit dem Eintritt in den Pfarrsaal.
    Maskenhaft geschminkte Mütter sprangen wendig um ihre Töchter, die wie schneebedeckte und von Gold und Silber geschmückte Tannen im Raum standen. Es war kein Zweifel, dass diese Eltern ihre Kinder im Brautmodengeschäft eingekleidet hatten. Iltisse schmiegten sich um die schmalen Schultern, und Finger wie von Elfenbein stachen durch weiße Netzhandschuhe. Rings um mich wucherten wie fantastische Gewächse Dauerwellen, perlendurchwobene Flechtfrisuren und hutartige Arrangements aus Blüten und Strass. Aus der Mitte funkelnder Schneeköniginnen musterte mich Patrizia abschätzig von oben bis unten, bevor sie ihre perlmuttschimmernden Lippen zu einem herablassenden Halblächeln verzog. Sie trug ein Diadem mit Stirnperle, die zwischen ihren getuschten Augen funkelte. Ihr Kleid, das mit Krinoline und gefiederter Schleppe ausgestattet war, bauschte sich wie Meeresschaum. Ich war geblendet, dann blickte ich an mir hinab und sah es endlich selbst: Mein Kleid war gar nicht weiß wie ein Schneeglöckchen, sondern so gelb, wie eine Gardine bei Kettenrauchern nur sein konnte.
    In diesem schmerzvollen Moment der Erkenntnis sehnte ich mich in die heile Welt meiner Kindheit zurück, wo ich jeder drückenden Situation durch einen vorgetäuschten Tod entkommen konnte. Die Realität ließ sich nicht länger verleugnen: Ich war einfach keine Prinzessin und würde nie mehr sein als eine polnische Gans, die sich in eine alte Gardine wickelt, um mit auf den Ball zu dürfen.
    Die Messe verlief wie geprobt, bis auf ein paar Kleinigkeiten: Auf dem Weg zum Altar verfing ich mich mit dem Schuh in der Schleppe des Mädchens vor mir. Onkel Marek hielt auf Videokamera fest, wie ich meine erste Hostie geistesabwesend und mit offenem Mund knusperte. Und das Strumpfband um meine Kommunionskerze, das eine Tropfrosette imitieren wollte, fing Feuer. Zum Glück genügten einige Spritzer aus dem Weihwasserbecken, um es zu löschen.
    Als die Orgel das Ereignis mit dramatischem Dröhnen auf den Höhepunkt zutrieb, drehte ich mich nach meinen Gästen um. Tante Selma weinte bereits vor Rührung. Ich selbst war nur von meiner eigenen Tragik ergriffen.
    Es war Tradition, dass man sich am Tag der ersten heiligen Kommunion in einem echten Foto-Studio ablichten ließ. Bei dem Fotografen, für den wir uns entschieden hatten, sah es aus, als könnte man dort auch Särge erwerben. Ich kniete mich steif und aufrecht auf das Bänkchen vor dem künstlichen Kirchenfenster und kräuselte die Lippen, über die ich mir alle fünf Sekunden verlegen mit der Zungenspitze leckte. Papa sagte hinterher, ich hätte ein Gesicht gemacht, als hätte der Fotograf mit erhobener Machete hinter mir gestanden. So kamen wir mit einer Reihe von Bildern nach Hause, die schwer daran zweifeln ließen, dass die Vereinigung mit dem Leib Christi tatsächlich der Höhepunkt meines bisherigen Lebens war. Die Fotos sahen eher nach Tiefpunkt aus.
    Wie erleichtert war ich, als mir einfiel, dass es noch etwas gab, worauf ich mich freuen konnte: Geschenke. Jedes Kind wusste, dass es keine größere Bescherung gab als die Kommunionsbescherung. Die Rede war von Fernsehern, Computern, Fahrrädern, und ich fragte mich, welche wunderbaren, sperrigen Gegenstände wohl
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