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Sittenlehre

Sittenlehre

Titel: Sittenlehre
Autoren: Martin Kohan
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Teresa an das Ding von Herrn Biasutto. Schreien kann sie nicht, weglaufen auch nicht. Mit Grausen denkt sie an das grausige Ding von Herrn Biasutto. Sie wagt es, aus dem Augenwinkel hinzusehen, sie senkt den Blick, neigt den Kopf. Herrn Biasuttos Ding ist noch nicht mit von der Partie. So wie es aussieht, hält es sich heraus, nimmt keine Notiz vom Geschehen. Was da von hinten in sie hineindrängt, ist die Hand. Eine kalte, feuchte Hand. Die andere Hand, auch sie feucht und kalt, hilft ihr dabei. Sie drückt das Fleisch zu den Seiten und erweitert die Öffnung. So kommt die andere Hand besser hinein. María Teresa kann nicht schreien, und weglaufen kann sie auch nicht. Sie sieht zum Riegel: Der Riegel ist vorgelegt, die Tür ist verschlossen. Sie denkt nicht daran, sie aufzumachen. Daran denkt sie nicht, o nein: Sie denktnicht daran, aufzumachen. Sie denkt daran, wie der andere Riegel einige Tage zuvor unter dem wütenden Ansturm Herrn Biasuttos aus der Verankerung sprang. Wie bei einer Explosion sprangen die Schrauben heraus, und das Holz zersplitterte. Daran denkt sie, während sie den unversehrten Riegel ansieht. Daran und an Herrn Biasuttos Ding, das sich nicht zeigen will, das sich bitte nicht zeigen soll.
    Stumm läßt sie das Treiben der Hände über sich ergehen. Die Hand, die öffnet, kneift und zwickt, die Hand, die eindringt, drängt bloß vorwärts. Der gesamte Vorstoß verläuft bislang so blindlings und aufs Geratewohl, daß nicht recht zu ersehen ist, worauf er eigentlich abzielt. Mit ihren eigenen Händen tut María Teresa, was sie kann: Sie legt sie mit möglichst weit ausgebreiteten Handflächen auf die glatte Wand, um die Stöße abzufedern, mit denen ihr Gesicht infolge des Gezerres an ihrer Hinterseite immer wieder gegen die Kacheln schlägt. Schreien kann sie nicht, und sie kann auch nicht jammern. Ihre Reaktionen werden immer noch von der instinktiven Furcht davor beherrscht, daß ihre Anwesenheit an diesem Ort entdeckt werden könnte. Sie preßt die Lippen zusammen und hinter den Lippen die Zähne, während sie viel zu nahe an ihren Ohren und ihrem Hals Herrn Biasuttos rasselnden Atem hört. Das Stochern setzt sich noch eine Zeitlang fort, ohne ein klares Ziel erkennen zu lassen, bis eine von Herrn Biasuttos Händen, die rechte, die auch die geschicktere ist und die, die hineinwill, ihre Form verändert. Wie manche kampflustige Raupen, die imstande sind, sich je nach taktischen Erfordernissen zusammenzuziehen oder bald in diese, bald in jene Richtung auszudehnen, nimmt sie eine neue Gestalt an. Bis dahin wardie Hand mehr oder weniger wie ein Keil vorgegangen, ein Knäuel aneinandergepreßter Finger, das nichts anderes machte, als ein wenig planlos vorwärtszudrängen. Das ändert sich jetzt: Ein Finger wird vorgestreckt, der Mittelfinger, vielleicht sollte man aber auch sagen, vier Finger werden eingezogen und der Angriff bleibt von nun an dem in der Mitte überlassen. Schaudernd erinnert María Teresa sich wieder an das Ding, an Herrn Biasuttos grausiges Ding, es gelingt ihr jedoch, einen Blick darauf zu erhaschen und festzustellen, daß es weiterhin am Rande des Geschehens verharrt. Was jetzt in ihr herumbohrt und ihr Schmerzen zufügt, ist ein Finger. Ein Finger, der sie demütigt, während er sich Durchlaß verschafft.
    Später, wenn es dann möglich sein wird, wird María Teresa wegen alldem weinen, jetzt aber weint sie nicht. Um nicht die Herrschaft über sich zu verlieren, denkt sie unter anderem hieran: Daß sie später sehr wohl wegen alldem wird weinen, wird schreien können. Jetzt aber preßt sie die Lippen zusammen, die Zähne, die Augenlider, auch die Hände preßt sie zusammen, sie legt sie nicht mehr möglichst weit ausgebreitet auf die Wand, sie preßt sich jetzt vielmehr mit dem ganzen Körper an die Wand. Herr Biasutto sticht sie mit seinem Mittelfinger, dringt immer tiefer in sie ein. Um nicht die Herrschaft über sich zu verlieren, denkt sie unter anderem folgendes: Daß ihre Jungfräulichkeit hiervon nicht berührt wird. Der Finger dringt in sie ein, mit der plumpen Gier eines Verdurstenden. Verzweifelt denkt María Teresa, sagt sie zu sich: Deshalb bleibt man trotzdem Jungfrau. Herrn Biasuttos Mittelfinger ist noch nicht ganz in sie eingedrungen. Als wollte er ihn herausnehmen, zieht er ihn ein Stück zurück, was erst recht weh tut. Aber nein: Er wird ihn nicht herausnehmen– er nimmt vielmehr Schwung. Er stößt ihn jetzt bis zum Anschlag hinein, auf einen Rutsch, wie
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