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Sirup: Roman (German Edition)

Sirup: Roman (German Edition)

Titel: Sirup: Roman (German Edition)
Autoren: Max Barry
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Zentimeter langen, schwarzlackierten Nägeln. »Kommen wir gleich zur Sache.«
    »Ja, bitte«, sage ich tief bewegt.
    »Dieses Fukk-Cola… ist keine schlechte Idee. Das Konzept hat ein gewisses Potential.«
    »Danke«, sage ich und fange an, an der Serviette herumzufummeln. Ich bin mir zwar bewußt, daß ich das nur mache, um die Nervosität abzubauen, die mich angesichts meines unerhörten Beisammenseins mit 6 in diesem Nobelschuppen zu übermannen droht. Doch ich kann es einfach nicht lassen. Zwischendurch fühle ich mich aber auch gedrängt, an der Serviette herumzugrabbeln, um nicht wie ein totaler Zwangsneurotiker zu erscheinen, sondern gelangweilt und ach so cool.
    6 beachtet meine Serviettenperformance nicht weiter, sondern schnappt sich ein kurzes Selleriestäbchen und schiebt es sich zwischen die Lippen. »Sie haben dabei natürlich«, sagt sie, während sie das Selleriestäbchen mit den Zähnen zerkleinert, »an gwwfnnfss hggnunyupp dmmungffn gedacht.«
    6 schaut mich an, und ich kapiere sofort, daß ich weniger darauf achten sollte, wie sie sich Lebensmittel zwischen die Zähne schiebt, als auf ihre inhaltsreichen Worte. »Darf ich auf Vergebung hoffen?«
    Sie legt die Stirn in Falten. »Ich hab gefragt, ob Sie die Generation-X-Yuppieszene als Zielgruppe im Auge haben?«
    »Oh, ja, natürlich«, sage ich, langsam wieder meiner Sinne mächtig. »Fukk ist das Getränk der Zyniker.«
    6 nickt verständnisvoll.
    »Verzeihen Sie die Frage«, sage ich in einer dreisten Anwandlung. Vielleicht ist die edle Serviette ja doch nicht ganz ohne Wirkung geblieben. »Aber Sie erscheinen mir reichlich jung als Marketingmanagerin eines so großen Unternehmens.«
    »Wieso? Ich bin einundzwanzig«, sagt 6.
    »Neiiiiin«, sage ich, »das glaube ich nie und nimmer.«
    »Ist aber so«, sagt sie.
    »Tut mir leid«, sage ich, »aber Sie können unmöglich einundzwanzig sein.«
    »Mr. Scat«, sagt 6 streng. Im Kerzenlicht erscheinen ihre Augen sehr tief. »Ich bin einundzwanzig. Am besten, Sie finden sich damit ab.«
    Ich schaffe es ja gerade noch, so zu tun, als würde ich ihr die lesbische Masche abkaufen, aber das hier ist zuviel für mich. »Hey, vielleicht verfängt Ihre Junges-Marketing-Genie-Masche ja bei Ihren Kollegen. Mir können Sie das nicht aufbinden.«
    »Sie scheinen zu glauben, daß mich das interessiert«, sagt 6.
    »Schauen Sie, 6«, sage ich versöhnlich, »ich weiß doch, wo Sie herkommen. Um heutzutage zu überzeugen, muß man sich natürlich ein interessantes Image zulegen. Aber das ist trotzdem nur ein Image, richtig? Sie sind nicht einundzwanzig, und Sie sind genausowenig homosexuell wie ich.«
    »Nicht uninteressant, Ihre Vorgehensweise«, läßt 6 verlauten. Sie stützt das Kinn auf eine ihrer makellos manikürten Hände, als ob sie aufrichtig interessiert wäre. »Ihnen fehlt es anscheinend an sexueller Selbstachtung. Deshalb können Sie nicht akzeptieren, daß eine schöne Frau sich nicht zu Ihnen hingezogen fühlt.« Sie schnaubt. »Ich hab nämlich schon eine Kurztherapie hinter mir.«
    »Wann?« frage ich knallhart. »Etwa in der Grundschule?«
    »Ich war in Stanford«, sagt 6 unbeirrt. Ich stoße einen stummen Fluch aus. Üblicherweise behaupte ich nämlich selbst gerne, in Stanford gewesen zu sein, und jetzt ist sie mir zuvorgekommen. »Den High-School-Abschluß hab ich dank eines Hochbegabtenprogramms schon mit fünfzehn gemacht. Danach war ich vier Jahre an der Universität von Kalifornien und hab dann in Stanford mein Diplom gemacht. Und jetzt im zarten Alter von einundzwanzig bin ich seit sechs Wochen für Coca-Cola tätig.«
    Ich würde ja gerne streiten, aber sie bringt mich völlig aus dem Konzept. Ich weiß genau, was sie tut: daß alles, was sie mir erzählt, nur dazu dient, die coole Marketingfrau herauszukehren, doch ich bin wehrlos. Ich weiß auch, daß Coke ein eher widerliches schwarzes Gebräu ist – siebzig Prozent Wasser und zweiundvierzig Prozent Marketing, trotzdem trinke ich das Zeug. Wahrnehmung ist Wirklichkeit.
    »Scat«, sagt sie, »auch wenn Sie ein bißchen durchgeknallt sind, würde ich trotzdem gerne mit Ihnen arbeiten.«
    Ich sehe sie erstaunt an. Ein geistreicher Kommentar wär jetzt genau das richtige, doch mir fällt keiner ein. »Junge«, sage ich.
    6 fördert scheinbar aus dem Nichts eine große schwarze Mappe zutage. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß 6 eine so große Mappe mit sich herumschleppt. Dann sagt 6: »Wir werden jetzt eine
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